ES IST OKAY by Angela Doe

ES IST OKAY by Angela Doe

Autor:Angela Doe
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin
veröffentlicht: 2020-10-05T00:00:00+00:00


Der Geschmack von Freiheit

In dem Moment, als ich am letzten Tag des Seminars nach draußen in die Sonne trat, verstand ich so viel mehr. Ich verstand endlich, warum ich durch die Studiums-Hölle gehen musste: um genau das hier zu verstehen.

Ich war niemals ein Alien. Niemand hatte mich jemals gehasst und wollte mir etwas Böses. Einzig und allein ich sah mich so und bildete mir ein, dass alle anderen mich auch so sehen müssten. Der einzige Grund, warum ich mich einsam fühlte, war ich selbst. Ich machte mich selbst zu einem Alien. Ich schloss mich aus, weil ich niemals über meine Probleme mit dem Studium sprach. Ich war nur allein damit, weil ich mich vor Scham niemals öffnen konnte. Was wäre gewesen, hätte ich dieses Thema in den letzten sechs Jahren auch nur ein einziges Mal auf meinem Blog erwähnt? Wie viele hätten gerufen: »Ich kenne das Gefühl so gut! Ich habe genau das gleiche Problem!«

Ich hatte meine Verletzlichkeit so gut ich konnte und mit allen Mitteln vergraben. Dabei ist alles, was wir brauchen, die Gewissheit, Teil eines Großen und Ganzen zu sein. Egal in welcher Lebenslage. Verlieren wir das aus den Augen, fühlen wir uns einsam – und diese Einsamkeit ist ein Teufelskreis, der uns noch verschlossener macht und uns noch tiefer reinreißt. Aber was passiert mit Ängsten, wenn wir sie aussprechen? Zu seinen Ängsten und seiner Verletzlichkeit zu stehen macht uns nicht schwach, es macht uns menschlich. Ich bin ein Mensch so wie du, so wie wir alle. Um mich zu öffnen, bedurfte es nur einer einzigen guten Seele, die genau im richtigen Moment zur Stelle war.

Selbst der verhasste Betonklotz kam mir auf einmal gar nicht mehr so trist und grau vor. Auf einmal konnte ich auch wieder all die schönen Momente sehen, die ich hier erleben durfte. Vor allem aber konnte ich endlich sehen, wofür die letzten sechseinhalb Jahre gut gewesen waren: Selbst wenn niemand jemals mein Bachelorzeugnis sehen will und ich keine Fotografin werde – in Zukunft wollte ich nie wieder zulassen, dass mich etwas so viele Jahre so sehr belastet. In Zukunft wollte ich Dinge aussprechen, die mir Unbehagen bereiten. Keine Geheimnisse mehr, die nur ich kenne.

Ich musste durch all diese Gefühlskotze laufen, um endlich zu verstehen: Auch die Essstörung schleppte ich seit vielen Jahren insgeheim mit mir herum. Die Essstörung war ein noch viel größerer Klotz, als das Studium jemals hätte sein können. Das Gefühl von Freiheit, von Hinter-mir-Lassen und von Abschließen war so unglaublich befreiend, dass ich mehr davon kosten wollte. All die Jahre hatte ich versucht, die Essstörung mit mir selbst auszumachen. Und immer wieder lief ich gegen eine Wand. Es war endlich an der Zeit, darüber zu sprechen.

Wie würde es sich wohl anfühlen, auch davon frei zu sein? Wie viele Felsen würden von meinem Herzen abbröckeln, wie viel leichter würde ich durchs Leben gehen?

Diese Erleichterung, diese Freiheit schmeckte wie mein liebstes veganes Schokoladeneis mit Brownie-Stückchen. Und ich wollte unbedingt mehr davon.



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