Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition) by Szameit Michael

Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition) by Szameit Michael

Autor:Szameit, Michael [Szameit, Michael]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
veröffentlicht: 2014-01-30T05:00:00+00:00


KAPITEL 14

“Alle Backbordklüver, alle Vorsegel und Großskysegel backbord anbrassen!” Ireas Flakke bemüht sich, seiner Stimme den festen und entschlossenen Klang zu geben, an den seine Leute gewöhnt sind. Er ist müde, unendlich müde.

Jedes Wort, jeder Befehl kosten ihn Überwindung, und selbst der Schreck ist schon wieder vorüber, mit dem er erkannte, daß dies nicht die Müdigkeit des Abends eines langen Tages, sondern die am Ende eines langen Lebens ist.

Der Sonnenwind fährt ungestüm in die Takelage des Drachenkreuzers, bedächtig hebt die Ikaros ihre stumpfe Nase und dreht nach Steuerbord.

Der Kosmander wendet sich von der Sonne ab und blickt auf die Merkuroberfläche. In wenigen Sekunden überfliegen sie die Ruinen der Merkurstation Nabuthot, der Wall des Kessels der Caloris Planitia mit seinem Durchmesser von weit über tausend Kilometern liegt bereits unter ihnen. Seit Jahrzehnten hat kein Mensch mehr seinen Fuß auf diesen Teil des sonnennächsten Planeten gesetzt, der zum Grab für mehr als dreitausend Forscher wurde.

Es ist ruhig auf der Brücke. Einige der Männer haben sich bereits erhoben, obwohl Flakke den traditionellen Befehl noch nicht gegeben hat.

Ireas Flakke spürt beinahe schmerzhaft seinen Herzschlag. Ihm ist, als blickten Tausende von Augenpaaren zu ihnen auf – tote, stumme Augen,in denen sich Überraschung und Entsetzen, Furcht und Verzweiflung spiegeln. Es sind doch nur Krater, tröstet er sich, Dinger aus leblosem Stein, keine Menschenaugen. Aber so deutlich wie heute hat er den eisigen Hauch des Todes nie zuvor gespürt, der wie Nebel durch seine Gedanken weht.

Mechanisch schaltet er die Bordrufanlage ein. “Unseren Gruß den unvergessenen Toten”, sagt er leise, und sein Flüstern hallt durch den Riesenleib der Ikaros wie ein Gebet. Nun erheben sich auch die anderen Besatzungsmitglieder von ihren Plätzen, und als Flakke die Sirenen aufheulen läßt, denkt er bestürzt: Es ist fast so, als ob wir schon zu denen da unten gehören…

Er blickt nachdenklich um sich, und die Gesichter seiner Männer ängstigen ihn fast. Ja, sie stehen da wie Tote, mit versteinerten Mienen, reglos, hölzern. Niemand weiß, welche neuen Anweisungen sie auf der Basis erwarten. Vielleicht ist es bereits der letzte Flug der Ikaros, und keiner ahnt es. Oder nein: Jeder rechnet damit.

Flakke starrt wieder auf die zerklüftete Merkuroberfläche. Manchmal ist ihm, als sähe er das Blitzen eingestürzter Kuppeln, aber er weiß, daß man aus dieser Höhe mit bloßem Auge keine Details erkennen kann, und aus genau diesem Grund hat die Ikaros diese. Distanz auch noch nie unterschritten. Wer sich über das Ausmaß der Zerstörungen und der Todesqualen informieren will, kann einschlägige Dokumentationen anfordern. Allerdings muß derjenige sein Interesse begründen können. Ireas Flakke benötigt keine holographischen Aufzeichnungen, um seiner Erinnerung weiterzuhelfen. Die Bilder sind in sein Gedächtnis eingebrannt mit einer Glut, aus der es immer wieder hell aufloht, wenn er an seinen Einsatz im Rettungs- und Bergungskommando denken muß.

Damals war er noch Kadett – blutjung und unerfahren. Wollte man diewenigen Überlebenden, mit denen zu rechnen war, retten, durfte keine Zeit verloren werden, und so wurde der Ausbildungs-kreuzer “Mariel Elldes”, der sich zufällig in der Nähe des Merkurs aufhielt, zum Ort der Katastrophe befohlen. Für den Kadetten Ireas Flakke war es wie ein Fiebertraum.



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