Dr Siri sieht Gespenster by Colin Cotterill Thomas Mohr

Dr Siri sieht Gespenster by Colin Cotterill Thomas Mohr

Autor:Colin Cotterill Thomas Mohr
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: PeP eBooks
veröffentlicht: 2010-04-03T16:00:00+00:00


13

ZWEITER SONNENAUFGANG

Der zweite Sonnenaufgang kam gegen acht Uhr morgens. Um diese Zeit stand die erste Sonne so hoch am Himmel, dass sie von den siebzehn goldenen Spitzen des Xieng-Thong-Tempels zurückgeworfen wurde. Für die meisten Einwohner Luang Prabangs war dies das Zeichen, sich zur Arbeit aufzumachen – was wiederum erklärte, warum an bedeckten Tagen so viele Leute im Bett blieben.

Siri saß auf den weißen Stufen vor dem Höhlentempel von Tham Loum, einem schmalen Spalt in einer hohen Felswand, von dem aus man die Mündung des Nam Ou in den Mekong überblickte. Das Erstaunlichste an dieser Höhle war ihr Inhalt: Tausende und Abertausende von Buddhastatuen in jeder erdenklichen Form und Größe. Der Leichenbeschauer hatte den unbewachten Schatz, der sich im Laufe von Jahrhunderten hier angesammelt hatte, bereits bewundert. Er fragte sich, wie lange es wohl dauern würde, bis ein ruchloser Pirat im Schutz der Dunkelheit über den Mekong gerudert kam, um im Auftrag thailändischer Andenkenhändler die Bestände zu plündern.

Er überlegte, aus welcher Richtung sein Schamanenfreund wohl kommen würde. So weit er hatte sehen können, war die Höhle nicht besonders tief. Wahrscheinlich war er deshalb so erschrocken, als er hinter sich plötzlich Tiks Stimme hörte.

»Was machst du da unten,Yeh Ming?«

»Ich warte auf Sie. Wie sind Sie da raufgekommen, Bruder?«

»Ich wohne hier.«

»Dann ist es mir ein Rätsel, wie ich Sie übersehen konnte, es sei denn, ich habe Sie mit einem Buddha verwechselt.«

Siri kletterte die Stufen wieder hinauf. Der alte Guru trug nichts weiter als ein kleines Tuch, das er sich ums Gemächt gebunden hatte. Siri schüttelte ihm die spindeldürre Hand, und die beiden Männer gingen in die Höhle. Der Doktor wies mit einem Nicken auf die Statuen. »Ich habe daran gedacht, diese Herrschaften mit einem Fluch zu schützen.«

»Da kommst du mehrere hundert Jahre zu spät, mein Junge. Die Burschen sind besser geschützt als die königliche Schatzkammer.«

»Wie? Aber es kann sie doch jeder stehlen.«

Tik führte ihn langsam in den Schatten am Ende der Höhle.

»Ja, schon, und im Lauf der Jahre wurde weiß Gott viel gestohlen. Aber glaub mir, kein Dieb ist damit glücklich geworden. Ich kann dir gar nicht sagen, welch grausames Schicksal denjenigen erwartet, der einen Pak-Ou-Buddha an sich bringt. Und da sie über einen ausgezeichneten Orientierungssinn verfügen, finden die Statuen früher oder später alle hierher zurück, wo sie hingehören.«

Sie kamen zu einer Felswand, die Siri zuvor schon inspiziert hatte. Sie schien glatt und massiv zu sein, doch Tik hielt zielstrebig darauf zu und entlarvte die optische Täuschung. Es sah aus, als hätte ihn der Fels verschluckt. Siri näherte sich ihr etwas vorsichtiger, und erst als er fast mit der Nase dagegenstieß, zeigte sich der schmale Durchgang.

Er blieb dem alten Mann dicht auf den bloßen Fersen. Sie gingen durch einen von umherschwirrenden Glühwürmchen illuminierten Tunnel und kamen in eine kleine, von oben erhellte Grotte. Irgendwie sickerte durch versteckte Felsspalten Tageslicht herein, obwohl sie sich tief im Berg befinden mussten.

Die Höhle war mit gesammeltem Unrat übersät; Flaschen und Konservenbüchsen, Treibgut aus dem Fluss, stapelweise Straßenschilder aus der Zeit der Monarchie, Stoffe in diversen Farben und



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