Dorian Hunter 087 - Jenseits der Schwelle by Simon Borner & Catherine Parker

Dorian Hunter 087 - Jenseits der Schwelle by Simon Borner & Catherine Parker

Autor:Simon Borner & Catherine Parker
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Dämonen, Horror, Mystery, Magie
ISBN: 9783955720872
Herausgeber: Zaubermond
veröffentlicht: 2017-01-27T00:00:00+00:00


Kapitel 2

Vergangenheit (Irenes Tagebuch)

Aufgewühlt blickte Irene auf die letzten Zeilen ihrer Mutter. Wie hatte sie deren Warnung bloß vergessen können?

Seit sie fünf Jahre alt war, wusste sie von dem Tagebuch. Damals hatte sie es zufällig auf dem Dachboden gefunden, wo sie häufig herumstöberte, weil Mother Goose, die alte Furie, mit ihren krummen Beinen ihr dort hinauf nicht folgen konnte. Dort oben war sie vor dem Gekeife der Hexe sicher. Außerdem lagerten dort – zwischen Bergen von Gerümpel – auch viele aufregende Dinge: Hexenbücher, allerlei magischer Krimskrams, seltsame Tiegel mit stinkendem Inhalt, Lederbeutelchen mit Knochensplittern, eine Kette aus Zähnen, diverse Öle und Kräutermixturen. Etliches davon war vergammelt, da Mother Goose offenkundig keine Verwendung mehr dafür hatte. Für die Hexe zählte allein die Perfektionierung ihrer Uhrenmagie. Im Gegensatz zum Dachboden war ihre Uhrenwerkstatt daher meist sauber und sämtliche Gerätschaften ordentlich sortiert.

Irene wusste die aufgeräumte Werkstatt als Lernort durchaus zu schätzen. Dennoch mochte sie auch den Dachboden. Er wirkte auf geheimnisvolle Weise fern von allem. Der Pulsschlag des Hexenhauses verstummte, wich einer dämmrig-sanften Stille. Hier oben war das Ticken der zahlreichen Uhren kaum noch zu hören. Keine Spiegel warfen das eigene Antlitz verzerrt zurück, keine Puppen starrten einem mit toten Augen entgegen. Hier oben konnte Irene sich Mother Gooses Zugriff für eine Weile entziehen.

Dass ihre eigene Mutter einst ebenfalls auf den Dachboden geflohen war, wusste Irene, seit sie vor Jahren das Tagebuch gefunden hatte. Versteckt zwischen Balken, außen leicht feucht vom Regen, hatte es dort auf sie gewartet. Noch kaum des Lesens mächtig, hatte sie mühsam die verwischten Buchstaben entziffert.

Als Fünfjährige war sie mächtig stolz auf ihre Leistung gewesen – und überglücklich, weil es ihr endlich gelungen war, etwas über ihre Mutter zu erfahren, von der Mother Goose niemals sprechen wollte. Auch Mrs Sykes, die Irene eine Weile als Hauslehrerin betreut hatte, wollte oder konnte ihr keine Auskunft geben. Und nachdem die örtliche Behörde, die ursprünglich auf Irenes Schulbesuch gedrängt hatte, die Sache irgendwann wieder vergaß, kündigte Mrs Sykes von einem Tag auf den anderen den Unterricht. Nicht, dass Irene die strenge Ziege wirklich vermisst hätte …

Das Tagebuch blieb ihr geheimer Schatz. Etliche Teile des Inhalts erschienen ihr als Kind wirr und unverständlich. In der Folge hatte sie vieles davon einfach ausgeblendet. Sie hatte lediglich zu träumen begonnen – von der Familie, die sie sich so sehr wünschte. Von ihrem Vater, den sie nie kennengelernt hatte. Sogar Zeichnungen hatte sie angefertigt.

Drei Menschen. Hand in Hand. Glücklich vereint.

Es waren alberne, unerfüllbare Träume eines kleinen Mädchens gewesen, so viel war Irene längst klar. Immerhin war sie damals klug genug gewesen, den Fund des Tagebuchs vor Mother Goose geheim zu halten. Mit keinem Wort hatte sie verraten, dass sie nun wusste, wer ihre Eltern waren. Ihre Mutter war ohnehin tot, gestorben kurz nach Irenes Geburt. Und Woody, der Internatsschüler? Er war seit seinem Schulverweis spurlos verschwunden. Irenes Vater ahnte wohl nicht einmal, dass sie überhaupt existierte …

Irene presste das Tagebuch gegen die Brust. Kein Laut drang über ihre Lippen. Sie war längst kein kleines Mädchen mehr, das heimlich weinte und seine Eltern vermisste.



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