Dorian Hunter 078 - Der Hermaphrodit by Simon Borner & Catalina Corvo

Autor:Simon Borner & Catalina Corvo [Borner, Simon & Corvo, Catalina]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Dämonenkiller, Dorian Hunter, Horror, Mystery
Herausgeber: Zaubermond
veröffentlicht: 2016-02-03T00:00:00+00:00

Zweites Buch: Der Hermaphrodit

Der Hermaphrodit

von Catalina Corvo

nach einem Exposé von Susanne Wilhelm

1. Kapitel

Versailles, 1789

Hugo, der Putzjunge, schrubbte die Marmorfliesen im Schein herabbrennender Gartenfackeln. Auf Knien rutschte er über den Boden, wischte Viereck um Viereck, bis der weiße, von grauen Linien durchzogene Stein wieder glänzte wie am ersten Tag.

Er hatte gelernt, durch den Mund zu atmen, während er die Hinterlassenschaften der noblen Herren und Damen beseitigte, damit der königliche Park bei Sonnenaufgang wieder in majestätischem Glanz erstrahlen konnte.

Man sagte, wenn der König im Mai zum Ball in die Sommergärten rief, dann stieg auch heimlich so mancher Engel vom Himmel herab, um an den Lustbarkeiten teilzuhaben.

Die zu Kugeln und Sternen gestutzten Jasminbüsche dufteten wie das Schlafgemach der Königin von Saba, pflegte Anais, das zweite Küchenmädchen der königlichen Pastetenküche, zu sagen. Aber wenn Hugo sie fragte, wer denn die Königin von Saba sei, dann lachte die junge Frau schrill und wischte mit ihrer Küchenschürze nach ihm. Du bist viel zu jung, um so was zu fragen.

Aber eins wusste der Knabe: Wein, Schweiß und Notdurft ertränkten den Duft der edlen Sträucher. In den frühen Morgenstunden des Frühlings blieb von der Herrlichkeit nicht mehr übrig als ein paar Trauben im Gras, gefüllte Pisspötte und Kristallscherben von herabgefallenen Gläsern.

Nur die Dienerschaft, bewaffnet mit Putzeimern, wurde stummer Zeuge des Niedergangs, nachdem auch die hartgesottenste Dirne endlich in irgendein Bett kroch oder der Vicomte de Guisbannes auf dem Kartentisch schnarchte. Zum Leidwesen seines leise fluchenden Sekretärs, der sich abmühte, den gewichtigen Mann in seine Gemächer zu schleifen.

Hugos Revier war der Rosenpavillon. Zumindest an diesem Abend. Es war das erste Mal, dass er einen so großen Bereich allein übernahm. Sonst arbeitete dort Patrice, aber der war krank und hatte Hugo gebeten, seine Schicht mit zu übernehmen.

'Viel wird da nicht zu tun sein', hatte Patrice gehustet. 'Hauptsache, du lässt dich nicht vor den Edelleuten und den Hausdienern sehen. Dann fällt das gar nicht auf.'

Von den Händen fleißiger Gärtner gewässert und gestutzt, umrankte ein Labyrinth aus hüfthohen Rosenhecken ein marmornes Podest. Es war so groß wie der Versailler Marktplatz.

In seinem Zentrum thronte ein runder, säulengerahmter Kuppelpavillon aus Alabaster. Marmorne Göttinnen, deren Gewänder wie Wasser von ihren Schultern flossen, flankierten die Eingangspforte wie spielerische Wächterinnen. Sie boten Granatäpfel und Mandelblüten in silbernen Schalen dar. Ihr Lächeln war einladend und ein wenig verschwörerisch. So als wollten sie den Betrachter zu einem geheimen Spiel einladen, das hinter den Pforten stattfand.

Die Spiele, die in den vergangenen Stunden jedoch stattgefunden hatten, atmeten den Gestank der Verdorbenheit. Der Boden klebte von angetrockneten Flüssigkeiten. Wein vermischt mit anderen Dingen, über die Hugo nicht zu genau nachdachte. Außerdem hatte jemand seinen Magen in die schönen Rosenhecken entleert. Der Junge war froh, dass er strikten Befehl hatte, die Finger von den Blumen zu lassen. So war es Sache der königlichen Gärtner, sich um dieses Problem zu kümmern.

Ein paar Meter weiter baumelte ein zartes Stück Spitze und Seide zwischen den Dornen. Hugo blinzelte. Immer näher schrubbte er sich an das geheimnisvolle Stück heran, dann sah er sich um. Als er sicher

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