Doppelgott by Walter Burk

Autor:Walter Burk [Burk, Walter]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Gmeiner-Verlag
veröffentlicht: 2016-02-09T00:00:00+00:00

Sonntag, 6. Juli

Der Samstag ist aus seiner Sicht ein Erfolg gewesen, er hat Aufmerksamkeit erweckt, seine Botschaft ist gehört worden, es hat Zustimmung gegeben. Seine Mission hat Chläus einmal mehr erfüllt.

Er weiß, dass die Zeit nun reif ist für den nächsten Schritt. Für den Schritt von Worten zu Taten. Taten, die auch Gleichgesinnte in seinem Umfeld fordern.

Bei mehreren Treffen wurde immer wieder die Forderung geäußert, dass »man« doch endlich »etwas« tun müsse – auf sein Nachfragen wurden dann jedoch weder das »man« noch das »etwas« konkretisiert. Er wisse ja am besten, was damit gemeint sei, hieß es dann lapidar.

Womit ihm auch die Verantwortung übertragen und die Freiheit gewährt wurde, zu entscheiden, was zu tun ist. »Zum Anführer macht man sich nicht selber, man wird dazu gemacht«, geht es Chläus durch den Kopf. Er hat diese Rolle nie gesucht, sondern ist einfach immer für seine Überzeugung eingestanden, ist hartnäckig geblieben, hat seinen Weg nie verlassen. »Konsequent« nennen es die einen, »stur« die andern.

Er spürt eine Verunsicherung in seinem Umfeld, oft auch Angst. Angst davor, zu verlieren, was über Jahrhunderte aufgebaut worden ist, Angst davor, dass Traditionen und traditionelle Werte verschwinden. Aber auch Angst vor dem Neuen, Schnellen, Kurzlebigen, vor neuen Einflüssen, vor Fremdem.

Die Befürchtung, dass Genuss durch Konsum, Leben durch erlebte Momente, Herausforderung durch einen kurzfristigen Kick, Zeit durch die Uhr oder Beziehung durch Abenteuer ersetzt wird.

Und dass Wertehaltungen durch Verhalten, das situativ angepasst wird und damit jeglicher Beständigkeit entbehrt, verdrängt wird.

»Ich kann das Problem nicht alleine lösen, ihr könnt mir nicht einfach die Verantwortung zuschieben«, hat er sich gewehrt, »wir müssen zusammenstehen und das gemeinsam angehen.« Sein Vorschlag, in einem ersten Schritt alle Gleichgesinnten zu versammeln und eine Gemeinschaft zu gründen, der sie sich verpflichten sollten, wurde sofort akzeptiert.

So machte sich Chläus auf die Suche nach einem geeigneten Ort für dieses erste Treffen. Er wollte einen der Orte aussuchen, die für ihn als Kraftorte gelten, Orte, wo er das Gefühl hat, dass etwas passiert, ohne dass er direkt etwas dazu beitragen muss.

Er kennt einige dieser Orte im Alpstein, doch nicht alle waren gleich gut für seinen Plan geeignet. Denn es galt ja auch zu berücksichtigen, dass sich doch eine größere Gruppe zusammenfinden dürfte, aber auch, dass die meisten Menschen, die erwartet wurden, nicht in dieser Gruppe gesehen werden wollten. Ein Ort damit, der einerseits bekannt und gut zu erreichen ist, der aber abgelegen genug liegt, um eine gewisse Diskretion zu gewährleisten.

Was konnte sich da besser eignen als eine Höhle – die Furgglenhöhle, in welcher vor einer Woche das erste Treffen stattgefunden hat.

Doch heute will Chläus einfach nur das schöne Wanderwetter genießen, will abseits der Hauptrouten die Ruhe des Alpsteins für seine Meditation nutzen, in sich gehen und sich nochmals Kraft holen für das, was auf ihn zukommen wird.

Sein Weg führt ihn von Wasserauen hinauf Richtung Brülisau bis zur Alp, von wo der Weg steil ansteigt zur Zahmen Gocht. Diese wird nach einem kurzen Kletterstück durch den engen und markanten Felseinschnitt, der durch Stahlseile gesichert und mit einigen Stahltritte ausgebaut ist, erreicht.

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