Doktor Proktor verhindert den Weltuntergang by Jo Nesboe

Doktor Proktor verhindert den Weltuntergang by Jo Nesboe

Autor:Jo Nesboe [Nesboe, Jo]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783401063393
Herausgeber: Arena Verlag GmbH
veröffentlicht: 2011-01-01T23:00:00+00:00


Der Raum war leer.

Soweit nicht ein Dutzend Mondchamäleons als Schreibtisch, Stuhl, Buchregal, Globus, Rokokosofa, Lampe, Tapete oder als großes Porträt eines Pudels über dem Schreibtisch getarnt herumstanden oder -saßen.

Die Musik kam aus dem angrenzenden Zimmer. Die Verbindungstür war nur angelehnt. Bulle hörte Stimmen und leises Gelächter. Da sich keines der Möbelstücke bewegte oder auf ihn stürzte, ging Bulle davon aus, dass es tatsächlich Möbel waren, und schlich in den Raum. Im gleichen Augenblick hörte er im Nachbarzimmer eine Stimme laut und deutlich sagen: »Es ssieht, Göran.«

Worauf eine hohe Fistelstimme antwortete: »Jawohl, Ssef.«

Ein Kratzen wie von Krallen auf Parkett näherte sich. Bulle lief eilig zum Schreibtisch und kroch darunter.

Im gleichen Augenblick ging die Tür auf.

Aus seinem Versteck konnte Bulle nur die Beine desjenigen sehen, der den Raum betrat. Sie waren von einem hellgrauen Pelz bedeckt und endeten in einem Paar Füße, das die Kratzlaute erklärte. Aus den zerfetzten weißen Tennissocken ragten Zehen mit den längsten, unappetitlichsten und ungepflegtesten Zehennägeln hervor, die Bulle jemals gesehen hatte. Die Nägel bogen sich um die Zehenspitzen und kratzten über den Parkettboden, als die o-beinigen Stelzen in Richtung Balkon watschelten. Die Tür flog mit einem Knall zu. Das zehennagelbewaffnete Wesen bückte sich, um den Schließmechanismus am unteren Türrand zu betätigen, und Bulle erblickte etwas noch viel Unappetitlicheres als die Zehennägel. Unter dem langen nach oben gebogenen Schwanz zeigte das Wesen ein nacktes, behaartes Hinterteil, in dessen Mitte eine Ansammlung leuchtend roter Ausstülpungen zu erkennen waren, die nur eins sein konnten – Hämorrhoiden. Vorgestülpte Gigantohämorrhoiden, auf denen sicher nicht gut sitzen war und die grauenvoll jucken mussten. Im Vergleich dazu wirkten die Zehennägel geradezu schön und appetitlich.

Das Wesen hob etwas von der Schwelle der Balkontür auf und schnüffelte laut. Dann murmelte es piepsig und irritiert: »Sseiße! Sseibenkleister! Die Putzfrau kommt auf die Streckbank!«

Scheiße? Bulle warf einen erschrockenen Blick auf seine Schuhe und entdeckte im Profil der Sohle einen platt gedrückten braunen Fladen. Offensichtlich war er in den Abwasserkanälen auf einen Haufen getreten.

Jetzt war wieder das Schnuppern zu hören. Und dann das Kratzgeräusch sich nähernder Zehennägel auf dem Parkett. Bulle hielt die Luft an. Das Kratzen entfernte sich und das Wesen verschwand wieder im Nachbarzimmer. Bulle atmete aus, ganz leise, und zitterte am ganzen Körper. Er war sich nämlich hundertprozentig sicher, dass das, was er gerade gesehen hatte, bislang nur sehr wenige Menschen zu Gesicht bekommen hatten: das gefürchtete Mondchamäleon.



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