Doktor Disselhorst und die Frauen by Anny von Panhuys

Doktor Disselhorst und die Frauen by Anny von Panhuys

Autor:Anny von Panhuys [Panhuys, Anny von]
Die sprache: tah
Format: epub
Herausgeber: SAGA Egmont
veröffentlicht: 2016-06-16T00:00:00+00:00


Das Mädchen besorgte Einkäufe, und Irene öffnete selbst.

Eine schlicht gekleidete Frau stand vor ihr in altmodischem Spitzenumhang und veilchenumkränztem Kapotthut. Der saß schief und unternehmend auf den grauen Scheiteln.

„Wohnt hier Doktor Disselhorst, Intendant Disselhorst?“ fragte sie und legte auf den Namen einen gewissen Nachdruck von Stolz.

„Er hat hier gewohnt, jetzt bewohnt er das erste Stockwerk“, erklärte Irene und wollte die Tür schließen.

Doch die Frau schien noch redelustig. Sie blieb stehen.

„Doktor Disselhorst ist nämlich mein Sohn“, erklärte sie mit warmem Aufleuchten in den Augen. „Kennen Sie ihn?“ setzte sie fragend hinzu und fuhr gleich fort: „Natürlich, wenn man in einem Hause wohnt.“

Irene sagte einfach: „Ich bin die Tochter des verstorbenen Intendanten.“

Die alte Frau nickte: „So, so — dann sind Sie sicher mit meinem Sohn und meiner Schwiegertochter gut befreundet.“

Irene erwiderte mit leichtem Spott, der aber unbemerkt blieb, daß sie das eigentlich kaum behaupten könne. Da ging die alte Frau mit kurzem Gruß.

Irene sah sie langsam die Treppen ersteigen. Eben klappte oben eine Tür, Schritte wurden laut, Frau Elsas helle Stimme trillerte ein Liedchen, das plötzlich kurz abbrach. Schweigen, dem ein beinah entsetzter Ausruf folgte.

„Aber um des Himmels willen, wo kommen Sie denn her?“

Irene schämte sich, Lauscherin zu spielen, doch sie blieb wie festgebannt stehen. Hörte die alte Frau sagen: „Nicht wahr, da guckst du, Elsa, das ist mal eine gelungene Überraschung! Aber seit ich weiß, mein Hubert ist was Besonderes geworden, habe ich keine Ruhe mehr gehabt. Ich mußte mich selbst überzeugen, wie alles bei euch steht, und euch zugleich eine Freude machen.“

„Eine schöne Freude!“ brummte Frau Elsa, der Untenstehenden deutlich vernehmbar.

Arme alte Frau! dachte Irene, die sofort begriff, wie unangenehm den sich zierenden und aufblähenden Disselhorsts dieser unvermutete Besuch der einfachen Frau sein mußte. Sie verschwand leise in der Wohnung, sie mochte nichts mehr hören.

Oben stand die alte Frau und lehnte sich ein bißchen erschreckt ans Treppengeländer.



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