Dohlenflug by Georg Gracher

Dohlenflug by Georg Gracher

Autor:Georg Gracher [Georg Gracher]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Krimi-Thriller, Österreich
Herausgeber: eBookCreatorNet
veröffentlicht: 2010-01-02T03:00:01+00:00


22

LÄNGST HATTEN SIE vor dem Gastgarten des »Weitmoser-Schlössls« gehalten. Jacobi stieg aus, Kotek wendete und fuhr zur Auffahrt Bundesstraße zurück, nicht ohne noch einmal einen Blick nach links zu werfen, auf die Zwillingsrundtürme mit den kegelförmigen Dächern, die dem früheren Gewerkenanwesen sein unverwechselbares Gepräge gaben.

Trotz des Herbstregens ließ Jacobi das weiß gekalkte wuchtige Gebäude mit den typischen rot-weiß-roten Fensterbalken kurz auf sich wirken, ehe er den Eingang ansteuerte. Die Gasteiner Bergherren hatten es verstanden zu repräsentieren. Jacobi war schon bei Recherchen in einem früheren Fall auf sie gestoßen. Sie hatten zu Beginn der Neuzeit für das Tal jene Bedeutung, die heute dem Sport- und Wellness-Tourismus zukommt – eine sehr große. Neben der Hofgasteiner Marienkirche, die ihr imposantes Erscheinungsbild übrigens ebenfalls den Gewerkenfamilien verdankt, war das »Schlössl« eine Hauptattraktion im Tal, was auch schon Filmproduzenten das eine oder andere Mal hergelockt hatte.

Vor dem Eingang wartete ein rundgesichtiger kleiner Mann mit grauem Bürstenhaarschnitt auf Jacobi. Es war nicht der Schlossherr, Landtagspräsident Dr. Johann Schwertfeger, den Jacobi aus den Medien kannte, sondern sein Schulfreund Schorsch Grahammer, der den RS 4 vom Fenster der Lobby aus gesehen hatte.

»Sag ja nicht: ›Du schon wieder!‹«, flachste Jacobi anstelle einer Begrüßung. »Immerhin ist es schon drei Jahre her, seit ich zum letzten Mal deinen Rat eingeholt habe.«

»Hätte ich mir sicher verkniffen«, sagte Grahammer grinsend, »obwohl deine zugegeben seltenen Besuche immer Aufregung bedeuten. Grüß dich, Oskar.«

»Grüß dich, Schorsch. Ich kann mir zwar vorstellen, warum du diese Location als Treffpunkt ausgesucht hast, muss aber eine Schlossführung wegen Zeitdrucks bedauernd ablehnen.«

»Ich hatte nicht vor, mich dir als Guide anzudienen. Führungen finden übrigens nur für angemeldete Gäste statt, und die werden dann von Angehörigen der Familie Schwertfeger betreut. Aber nach deiner Anfrage heute Morgen habe ich diesen Treffpunkt mit historischem Lokalkolorit tatsächlich nicht zufällig gewählt, das geb ich gern zu. Lass uns nach hinten in die Knappenstube gehen. Für einen Plausch im Garten eignet sich das Wetter heute wirklich nicht besonders.«

Den Räumlichkeiten im Schloss und den extrem dicken Mauern sah man an, dass ihre Erbauer in erster Linie den Schutz der Bewohner im Auge gehabt hatten und nicht so sehr die Repräsentation, wie Jacobi zunächst unterstellt hatte. So stattlich das Gebäude nach außen hin auch wirkte: Die Flure waren schmal, die Stiegenaufgänge eng und die verschiedenen Gaststuben nicht übermäßig groß. Möbel, Türen, Vertäfelungen, Bilder und Gobelins befanden sich mehrheitlich im Originalzustand oder waren fachmännisch restauriert.

An die Knappenstube schloss ganz hinten noch ein kleines Extra-Stüberl an, in das Schorsch Grahammer den Schulfreund führte. Ein halber Liter Rotwein und zwei Gläser standen bereits auf einem der beiden Tische.

»Ein slowenischer Merlot, etwas ganz Exquisites.« Grahammer kannte die Vorlieben Jacobis. »Also, Oskar, wo drückt der Schuh?«, fragte er geradeheraus, nachdem sie Platz genommen hatten.

Auch sein Gegenüber hatte nicht vor, lange um den heißen Brei herumzureden. »Hier auf dem Land sprechen sich ungewöhnliche Ereignisse rasch herum, deshalb verrate ich dir sicher weder Dienstgeheimnisse noch etwas Neues, wenn ich dir sage, dass seit Samstag zwei Menschen in eurem Tal ermordet worden sind.«

»Zwei?« Grahammers Augen wurden so rund wie sein Gesicht.



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