Doetsch, Richard by Die 13. Stunde

Doetsch, Richard by Die 13. Stunde

Autor:Die 13. Stunde [Richard Doetsch]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2012-10-06T22:00:00+00:00


Die Hintertür des Taurus stand offen. Dance saß in Handschellen auf der Rückbank und vermochte seine Wut kaum im Zaum zu halten.

Der junge Nationalgardist stand vor dem Wagen, das M16 in einer Hand, das Handy mit der anderen ans Ohr gedrückt, während er darauf wartete, dass sein Vorgesetzter antwortete.

Dance’ Gedanken überschlugen sich. Er schaute sich um und schätzte seine Chancen ab, zu fliehen, ehe ein Kontingent Wochenendsoldaten kam und ihn festnahm. Dance war nicht so weit gekommen, um jetzt aufzugeben.

Er blickte auf seinen verstümmelten Ringfinger. »Eine Anzahlung auf sein Leben« hatten sie es genannt.

Niemand wusste es, doch er hatte nur bis Mitternacht, oder er wäre ein toter Mann. Und das passte ihm verständlicherweise gar nicht.

Dance hatte zu viele Nebenbeschäftigungen, die sich mit seinem Hauptberuf nicht vereinbaren ließen. Die sechzigtausend Dollar im Jahr, die ein Detective erhielt, genügten ihm nicht zum Leben, jedenfalls nicht in Westchester, wo die Reichen wohnten, die sich zwar schutzsuchend an die Polizei wandten, Polizisten aber als Bürger zweiter Klasse behandelten.

Mit kleinen Geschäften hatte Dance sein Einkommen aufgebessert: hier und da ein Diebstahl, dann und wann eine Erpressung bei Rauschgiftkonsumenten und Kleindealern aus reichem Hause, deren millionenschwere Eltern sie enterben würden, falls sie erfuhren, dass sie Stoff an Vierzehnjährige verkauften.

Aber das war noch nicht alles. Dance hatte geraubt, gestohlen, gegen Bezahlung Brandstiftung begangen und in zwei Fällen auch gemordet. Zehntausend Dollar pro Kopf – mit Rauschgift in Zusammenhang stehende Morde am anderen Ende des Bezirks. Dance hatte Futtersäcke aus Nylon über die Leichen gezogen, hatte sie mit Ketten umwickelt, mit einem fünfzig Kilo schweren Eisengewicht beschwert und sie vor Manhattan in den East River geworfen. Derart gesichert, würde man die Leichen jahrelang nicht finden – falls überhaupt.

Niemand wusste von Dance’ Nebeneinkünften – außer Shannon und Horace Randall, seinem Mentor, den nur noch drei Monate von der Pensionierung trennten. Diebesgut wurde rasch verkauft, Spuren nie gefunden. Und wenn ein Verdacht entstand, nutzte Dance sein polizeiliches Vorwissen, um die Ermittlungen in eine andere Richtung zu lenken.

Aber nicht alle Coups liefen glatt.

Vor vierzehn Monaten hatte er sich einer Bande von Kleinganoven bedient – Jugendliche, die er festgenommen hatte und dann erpresste, damit sie für ihn arbeiteten, um dem Gefängnis zu entgehen. Zwei von ihnen hatten in der Bronx einen Kastenwagen mit Computern gestohlen und in ein Lagerhaus in Yonkers gefahren, wo Dance auf sie wartete. Der Käufer der gestohlenen Notebooks und Desktop-Rechner hatte ihm vierzigtausend Dollar in bar gezahlt, von denen Dance fünftausend an die beiden Jugendlichen abtrat, damit sie den Mund hielten.

Eine Woche später wurden beide tot in einer Gasse gefunden. Kopfschüsse – eine typische Hinrichtung.

Am folgenden Tag wurde Dance von zwei breitschultrigen Schlägern gepackt, als er vor der Garage seines Zweifamilienhauses aus dem Auto stieg. Die Kerle brachten ihn in eine Werkstatt in Flatbush, wo sie ihn an einen schweren Holzstuhl fesselten.

Drei Stunden saß er in dem dunklen Raum unter den wachsamen Augen der beiden Schläger; dann hörte er, wie jemand eintrat.

»Du hast meinen Lieferwagen gestohlen«, erklang hinter ihm eine Stimme mit schwerem Akzent.

Dance saß still da und blickte starr nach vorn.



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