Dimension 12 by Robert Silverberg

Dimension 12 by Robert Silverberg

Autor:Robert Silverberg [Silverberg, Robert]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-03-23T04:00:00+00:00


Welt der tausend Farben

Kaum erfuhr Jolvar Hollinrede, daß der schlanke, blasse Jüngling ihm gegenüber zur Welt der Tausend Farben reiste, um sich dort der Prüfung zu unterziehen, witterte er eine verlockende Gelegenheit. Und in diesem Augenblick war das Schicksal des schlanken, blassen Jünglings besiegelt.

Hollinrede schloß die mageren Finger um die Trinkflasche aus gesponnener Faser. Sein Blick fixierte sein Gegenüber. »Die Prüfung, sagtest du?«

Der junge Mann lächelte schüchtern. »Ja. Ich glaube, ich bin soweit. Jahrelang habe ich gewartet – und jetzt ist mein großer Augenblick gekommen.« Er hatte etwas zuviel von dem schweren Schnaps getrunken. Seine Augen blickten glasig, und er redete mehr, als er sollte.

»Wenige sind berufen und noch weniger auserwählt«, sagte Hollinrede nachdenklich. »Komm, ich geb’ noch einen aus.«

»Nein, ich…«

»Es ist mir eine Ehre. Wirklich. Wie oft hat man schon Gelegenheit, einen Prüfling auf einen Schnaps einzuladen.«

Hollinrede winkte mit seiner ringgeschmückten Hand, und die mechanische Bedienung brachte ihnen zwei weitere Trinkflaschen. Hollinrede durchstach den Verschluß und schob die Flasche über das Tischtuch. Die zweite hielt er ungeöffnet in der Hand. »Ich weiß nicht mal, wie du heißt«, sagte er.

»Derveran Marti. Ich bin von der Erde. Und du?«

»Jolvar Hollinrede. Ebenfalls von Terra. Ich bin geschäftlich von einer Welt zur anderen unterwegs. Deshalb bin ich heute auf Niprion.«

»Was für Geschäfte sind das?«

»Juwelenhandel«, sagte Hollinrede und zeigte die glitzernden Ringe an seinen Fingern. Er trug niemals die Originale, sondern bloß Nachbildungen, aber das ließ sich nur mittels chemischer Analyse beweisen. Hollinrede wollte nicht jedem Fremden, der in Versuchung geriet, ihm die Hand abzuhacken, Waren im Wert von Millionenkrediten überlassen.

»Ich war Angestellter«, sagte Marti. »Aber das liegt längst hinter mir. Ich bin unterwegs zur Welt der Tausend Farben, um die Prüfung abzulegen! Die Prüfung!«

»Die Prüfung«, wiederholte Hollinrede. Grüßend hob er seine nicht durchstochene Flasche, setzte sie an die Lippen und tat, als leerte er sie. Ihm gegenüber begann Derveran Marti zu husten, als ihm der Schnaps durch die Kehle rann. Er blickte auf, lächelte benommen und leckte sich die Lippen.

»Wann geht dein Schiff?« erkundigte sich Hollinrede.

»Morgen mittag. Es ist die ›Sternsteiger‹. Ich kann es kaum mehr erwarten. Diese Zwischenlandung auf Niprion macht mich rasend.«

»Kann ich verstehen«, nickte Hollinrede. »Was würdest du von einem kleinen Spielchen halten, um die Zeit totzuschlagen?«

Eine Stunde später war Derveran Marti an dem eingelegten Kartentisch in Hollinredes Hotelzimmer zusammengesunken. Eine Handvoll Karten stak noch zwischen seinen Fingern. Hollinrede verschränkte die Arme und betrachtete den Toten.

Sie waren ungefähr gleich groß, er und der Tote, und mit einer Chemothermmaske konnte Hollinrede sein Gesicht ausreichend verändern, um sich als Marti auszugeben. Er schaltete den Rücklauf des hoteleigenen Tonbandgeräts ein, und hörte sich die letzten Bruchstücke ihrer Unterhaltung an.

»… möchtest du noch etwas trinken, Marti?«

»Lieber nicht, alter Knabe. Mir schwirrt schon der Kopf, verstehst du? Nein, bitte schenke mir nicht nach. Ich will nichts mehr, habe ich gesagt, und – also gut. Aber nur einen Kleinen. So, genug. Danke.«

Das Band verstummte, dann gab es den leisen Aufschlag wieder, mit dem Marti auf die Tischplatte gesunken war, als das rasch wirkende Gift seine Chromosomen zersetzt hatte.



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