Die wundersame Reise einer finnischen Gebetsmuehle by Arto Paasilinna

Die wundersame Reise einer finnischen Gebetsmuehle by Arto Paasilinna

Autor:Arto Paasilinna [Paasilinna, Arto]
Die sprache: deu
Format: mobi
ISBN: 9783431038422
Herausgeber: Ehrenwirth Verlag
veröffentlicht: 2012-01-02T00:00:00+00:00


16

Das Leben in Gefangenschaft fern der Heimat, ohne sichere Gewissheit über das eigene Schicksal und ohne Kontakt zu den Angehörigen, war eine harte Erfahrung für Kalle Homanen und Lauri Lonkonen. Ihr Essen bestand aus einer dünnen, stinkenden Suppe. Beide dachten wehmütig an ihr gemeinsames finnisch-indisches Restaurant und seine Köstlichkeiten. Die meiste Sorge bereitete ihnen jedoch das bevorstehende Urteil.

»Ich habe wirklich echte Angst«, sagte Lauri zu seinem Gefährten, der die Religion ins Feld führte:

»Wir sollten ernsthaft anfangen zu beten«, meinte Kalle.

Der christliche Glaube war den Finnen natürlich vertraut. Lauri und auch Kalle hatten sogar als Kinder die Sonntagsschule besucht, und später waren sie konfirmiert worden. Wie Kalle berichtete, war er allerdings mindestens dreimal aus der Sonntagsschule abgehauen. Er war einfach in Gedanken auf den Schulhof gegangen, über den Zaun geklettert und auf die Landstraße getrabt, dort hatte man ihn aufgegriffen und zurückgebracht.

»Ich hatte damit gar nichts Besonderes beabsichtigt, bin einfach losgegangen, so war ich damals eben.«

Lauri erinnerte sich, dass er in der Sonntagsschule ein braver Junge gewesen war. Aber man hatte ihnen dort große Bilder von hässlichen bärtigen Männern gezeigt, und er hatte schreckliche Angst vor Jesus und Gott gehabt, weil sie so furchtbar böse aussahen.

Die Erinnerungen an den Konfirmandenunterricht waren noch weitaus farbiger. Kalle war aus dem Konfirmandenlager ausgerissen, war unerlaubt und auf eigene Faust in die Stadt zurückgekehrt. Zusammen mit zwei Kumpels hatte er Haschisch probiert und Alkohol getrunken. Zwei Tage hatten sie herumgesumpft, und wegen dieses Ausflugs wäre er beinah nicht konfirmiert worden. Aber da er seine Verfehlungen tief bereut und um Vergebung gefleht hatte, hatten die Lehrer Gnade walten lassen.

Lauri hatte sich beim Konfirmandenunterricht so unsterblich in ein hübsches Mädchen verliebt, dass er geglaubt hatte, am gewaltigen Feuer seiner Gefühle sterben zu müssen, wenn die Angebetete ihm, dem schüchternen Jungen, nicht wenigstens einmal in die Augen sehen und ihn anlächeln würde. Aber später hatte dann ihre zwei Jahre ältere Schwester sein Herz gewonnen, mit ihr hatte er sich verlobt und sie anschließend geheiratet. Lauri und Irma waren heute immer noch ein Paar, sie hatten Kinder, ein schönes Heim und alles.

»Du kennst ja meine Irma.«

Die beiden Gefährten hatten inzwischen, speziell in letzter Zeit, Kenntnisse über den Buddhismus, den Schiismus und mithilfe der Gebetsmühle auch über den Hinduismus erworben. Lauri wusste über die großen Ideologien der Menschheit Bescheid, über den Sozialismus, den Kommunismus und den Faschismus. Und auf ihrer aktuellen Reise hatten beide außerdem Einblicke in die Lehren von Konfutse, ins Ariertum und auch in den Maoismus bekommen, der freilich einen Großteil seiner Strahlkraft verloren hatte.

Lauri hatte sich während der Reise gründlicher als Kalle mit dem Buddhismus beschäftigt, der, so hatte er erfahren, drei Hauptrichtungen hatte. Zwei davon waren in Indien verbreitet, aber eine dritte hatte sich abgespalten und bildete eine eigene tibetische Linie. Der Buddhismus begriff sich selbst als eine Art religiöses Fahrzeug. Das indische »Fahrzeug« wurde Theravada genannt, die Lehre der Älteren, für die große Masse der Gläubigen war Mahayana reserviert, das »große Fahrzeug«, und die Tibeter glaubten ans Vajrayana, das »Diamantfahrzeug«. Lauri erzählte, dass diese tibetische



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