Die versunkene Stadt (Götterdämmerung 1) by Katharina V. Haderer

Die versunkene Stadt (Götterdämmerung 1) by Katharina V. Haderer

Autor:Katharina V. Haderer [Haderer, Katharina V.]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2015-01-26T23:00:00+00:00


Im Zentrum der Halle wartete ein steinerner Türrahmen, hinter dem eine andere Welt lag.

Franka konnte grünlichen Fels sehen, dessen schleimiger Pilzbewuchs unter dem schummrigen Licht feucht schimmerte. Alte Glühlampen leuchteten funzelig von Holzbalken, die die Decke stützten. Richter winkte seine Leute hindurch, die durch den Stollen davoneilten.

Kain ließ Franka zurück. „Wenn du überleben willst, verkriech dich in einer Ecke!“ Er rannte zu einer anderen Hallenseite, hin zu einem unförmigen Haufen aus sperrigem Gerümpel und beachtete sie nicht weiter.

Franka war versucht, sich umzudrehen und dorthin zurückzulaufen, wo sie hergekommen war, doch die Angst, in der Düsternis auf Untote oder Graue Wächter zu treffen und für den Feind gehalten zu werden, überwog.

Fahrig drehte sie sich im Kreis. Richter führte die letzten Soldaten durch sein einsames Tor und Kain hantierte mit Gerümpel. Die Einzelteile des Haufens waren mit weißer Farbe beschmiert, aus der Entfernung konnte Franka nicht erkennen, ob es sich um Bilder oder Schriftzeichen handelte. Hielt er da etwa einen Pinsel in der Hand? Was war nur los mit diesem Verrückten?

Hinter ihr polterte es. Eine Gestalt wankte durch den Hallenzugang. Der erste Untote hielt auf Franka zu. Er trug keine Schusswaffe, doch streckte gierig die Arme aus – ob nach ihr, Kain oder Richter, war Franka nicht klar. Sie beschloss, kein Risiko einzugehen und sprintete vom Untoten davon, dessen halbe Maske weggesprengt war, sodass die Augapfelreste durch das löchrige Lid schimmerten. Sie überlegte, nach Kain zu rufen, unterließ es jedoch – er war ihr Feind. Währenddessen konnte sie sehen, wie der freistehende Türrahmen, in dem Richter sich platziert hatte, zu zittern begann. Er stand ruhig, die Augen geschlossen. Eine unheimliche Stille hatte den Raum erfüllt, Kain arbeitete ebenso lautlos wie Richter, nur der Untote schlurfte über den Boden. Einen letzten Moment lang war Richter noch zu sehen, dann tauchte das Rechteck in eine satte Finsternis, als hätte jemand ein Samttuch davor gespannt. Nichts war zu hören. Da war bloß Schwärze, und als diese verrauchte, blieb nur der Türrahmen zurück – ein leerer Türpfosten, hinter dem Franka Kain auf seinem Schrotthaufen sehen konnte.

Franka hörte hinter sich Stimmen. Sie drehte sich im Lauf. Graue Wächter stürmten die Halle – richtige Graue Wächter, in schimmernden Exoskelett-Anzügen und glänzenden Infrarothelmen. Sie konnte die schnappenden Befehle hinter den spiegelblanken Helmen nicht verstehen, doch sie schienen Franka zu erkennen, denn sie richteten die Waffen auf Kain.

Projektile durchschnitten die Luft, prallten gegen das Gerümpel. Kain stand auf. Er winkte Franka undeutlich zu, anscheinend wollte er, dass sie sich in die Ecke verkroch, doch Franka dachte nicht daran, auf ihren Entführer zu hören und rührte sich nicht. Mit einem Sprung verschwand Kain hinter dem Blechhaufen – und plötzlich kam Bewegung in den Schrott.

Die Muster und Zeichen auf den Einzelteilen glühten auf, umrankten den unförmigen Berg wie ein gleißendes Netz. Das Gerümpel begann, sich zu verschieben. Zuerst glaubte Franka, etwas wühlte sich durch das Altmetall an die Erdoberfläche. Einen Moment später erkannte sie, dass es nichts unter dem Krempel war, sondern dass sich die Gegenstände an sich bewegten.

Knisternd und knackend rollten, schoben und schleiften sie aneinander, setzten sich zusammen wie seltsame, groteske Puzzleteile.



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