Die unbefleckte Empfaengnis by Gaetan Soucy

Die unbefleckte Empfaengnis by Gaetan Soucy

Autor:Gaetan Soucy [Soucy, Gaetan]
Die sprache: deu
Format: mobi
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Séraphon erwachte und rang nach Luft, ein Gesicht war über ihn gebeugt.

»Möchten Sie vielleicht ein schönes Tässchen Tee?«, fragte die Racicot.

Séraphon Tremblay blickte sich um, als wunderte er sich, in seinem eigenen Schlafzimmer zu liegen. Langsam atmete er wieder leichter. Seit einer Woche tat er kein Auge zu, ohne dass ihn seine Träume in die Zeit vor zwanzig Jahren versetzten. Die Witwe kam mit der Teeschale. Er musste den brühend heißen Tee erdulden, den sie verschüttete, ihre tätschelnden Ohrfeigen; er nahm alles ohne eine Träne hin. Er fühlte sich fehl am Platz, so als wäre er nur noch ein Ding unter Dingen. Als sie zur Tür hinausgehen wollte, rief er sie zurück.

»Bitte bleiben Sie!«, sagte er flehentlich. »Bleiben Sie bei mir, bis Remouald von der Bank zurück ist. Ich flehe Sie an. Sonst kommt Er wieder. Immer wenn ich allein bin, kommt Er wieder.«

Die Witwe bemühte sich zu begreifen und runzelte mit verstockter Miene die Stirn. Sie schien zu dem Schluss zu kommen, dass der alte Mann einen Witz gemacht hatte, und trat einfältig lachend über die Schwelle.

Seit einer Woche hatte Séraphon Erscheinungen. Wenngleich er genau wusste, dass sein Kopf ihm einen Streich spielte, dass es nur Halluzinationen waren, so sah er doch, was er sah. Sobald er allein war, hörte er Ihn durch die Wohnung laufen. Er wusste, dass Er es war. Jedes Mal setzte Er eine neue Maske auf, die des Großonkels, eines kleinen Mädchens oder seiner Colliehündin, die Séraphon mit acht Jahren gehabt hatte, so als wolle Er ihm begreiflich machen, dass er sein ganzes Leben hinter all diesen Wesen immer nur das Gesicht seines eigenen Todes gesehen hatte. Wenn er den Kopf drehte oder die Augen schloss, änderte das nichts, im Gegenteil: Er spürte, wie Er sich an ihn schmiegte und ihn eisig bedrückend umarmte.

Er vernahm Schritte aus der Küche. Er sah, wie der Schatten an der Wand langsam größer wurde. Er sah Ihn kommen. Séraphon stöhnte auf. Diesmal hatte Er die Gestalt eines kleinen Jungen angenommen. Seine Haare hatten die Farbe frisch geschnittenen Holzes, und auf Brusthöhe hielt Er ein Blatt Papier in den Händen, wie ein Chorkind, das eine Kerze trägt. Der Junge trat auf das Bett zu. Auf dem Blatt stand eine Nachricht:

Bis bald, jenseits der Lügen.

Séraphon brach in Schluchzen aus. Die Nachricht war unterzeichnet mit Wilson.



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