Die schwarze Wölfin: Thriller (Die rote Königin 2) (German Edition) by Gómez-Jurado Juan

Autor:Gómez-Jurado, Juan [Gómez-Jurado, Juan]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Goldmann Verlag
veröffentlicht: 2022-07-18T00:00:00+00:00

15

Ein Rat

Wieder im Auto.

»Darf man erfahren, was mit dir los ist?«, fragt Jon und begutachtet im Rückspiegel seine Wunden. Die Lippe ist aufgeplatzt und geschwollen, aber nichts, was sich nicht mit einer eiskalten Bierflasche kurieren ließe. »Du hättest ihnen das Geschehen am Tatort erklären können.«

Antonia schnallt sich an. Was ihr sichtlich schwerfällt mit ihren zittrigen Händen, aber ihr Kollege gibt vor, nichts zu sehen.

Inspector Gutiérrez fährt einfach los. Er muss Polizeiautos und einen Rettungswagen umfahren, aber es nützt nichts. Am Ende der Straße hält ihn ein Uniformierter der Policía Municipal an. Hier ist auch für Fußgänger gesperrt, und mit Fußgängern ist die Presse gemeint. Es ist nur die laufende Kamera des Lokalsenders zu sehen. In den Nachrichten ist die Rede von einem Einsturz, einer Gasexplosion, einem Brand mit drei Opfern. Keine großen materiellen Schäden.

»Sie schien mir nicht geneigt, uns zu glauben«, erwidert Antonia.

»Ich glaube dir«, sagt Jon und streicht sich über den noch immer schmerzenden Hals. »Obwohl ich mir nicht erklären kann, wo die herkam, verdammt noch mal. Bevor ich zu den Leichen bin, habe ich mit der Taschenlampe alles abgesucht.«

»Linke Ecke, rechte Ecke, nächste Ecke, hinter der Tür?«

»So macht man das gewöhnlich.«

»Ich weiß und sie offensichtlich auch. Sie stand auf dem Aktenschrank.«

Der Aktenschrank. Aus Metall mit fünf Schubladen. Anderthalb Meter hoch. Jon erinnert sich daran, was er beim Eintreten gemacht hat. In jede Ecke zielen, aber immer auf den Boden. So wird es einem auf der Akademie beigebracht, weil man ja nicht wissen kann, dass man es mit Batwoman zu tun kriegt.

»Wer, zum Teufel, ist diese Frau?«

»Eine Berufskillerin. Sehr gefährlich.«

Was du nicht sagst .

»Sollten wir uns nicht vergewissern, dass Romero sie auch sucht?«

»Die Spurensicherung wird ihr erklären, dass diese Frau die Brüder Fomin getötet hat. Deshalb ist der Tatort für uns irrelevant. Wir müssen nicht die Frau finden, die dich angegriffen hat, wir müssen Lola Moreno finden. Da war die Comisaria sehr deutlich.«

»Du hast ihr in nichts nachgestanden.«

Antonia lehnt erschöpft den Kopf ans Fenster.

»Ich habe es nicht ertragen, dass sie uns dafür verantwortlich machen wollte. Vor allem, weil ihr Informant schuld ist am Tod dieser Frauen.«

»Also, Herzchen, ich gebe dir mal einen guten Rat. So sauer du auch sein magst, du kannst nicht, ich wiederhole, du kannst nicht zu einer Chefin sagen: Ich habe größere Befehlsgewalt als du. Selbst wenn es stimmt.«

Mit geschlossenen Augen reibt sich Antonia mit Daumen und Zeigefinger die Nasenspitze.

»Ich war … Ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll.«

»Was ausdrücken?«

»Dieses Gefühl. Wenn dich jemand schikaniert, um dich zu verletzen, aber auf sibyllinische Art und Weise. Hinterrücks und in Erwartung einer negativen Reaktion von dir. Es muss in irgendeiner Sprache einen Ausdruck dafür geben.«

Sie halten an einer Ampel. Jon nutzt das, um sie neugierig anzuschauen.

Antonia gönnt sich eine Nachdenkpause von dreißig Sekunden. Dann noch eine, und noch eine. Die Ampel schaltet auf Grün, aber sie fahren nicht weiter. Die Straße ist verwaist. Jon stellt den Motor aus und beobachtet den Lichtwechsel der Ampel.

Grün.

Rot.

Wieder grün.

Das Leben zieht vorüber, während diese Frau mit sich ringt, endlich zu reden , denkt Jon.

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