Die schwarze Feder by Heyne
Autor:Heyne
Die sprache: de
Format: mobi, epub
Herausgeber: Heyne
veröffentlicht: 2011-09-14T22:00:00+00:00
Kapitel 5
Ron Bleeker wurde von seinen Eltern erst am Morgen als vermisst gemeldet, weil sie den ganzen Abend in der Kneipe gehockt hatten. Als sie nach Mitternacht heimgekommen waren, hatten sie angenommen, er läge friedlich in seinem Bett. Blackwood hatte keine andere Spur seines Aufenthalts in dem alten Warenhaus hinterlassen â der Beutel mit den Abfällen des Picknicks war ebenso verschwunden wie die restlichen Kekse und die zerrissenen Fotos von Haus und Garage der Dugleys â, aber die Tür zur Gasse hatte er nicht zugemacht, sondern nur angelehnt, offenbar absichtlich. Einige Stunden, nachdem die Vermisstmeldung über Funk durchgegeben worden war, entdeckte ein vorbeifahrender Polizist die offene Tür und wenig später auch die Leiche, die nicht mehr an der Wand hing, sondern auf dem Boden lag. Die Mordwaffe war nicht auffindbar. Dafür fand man die Ohren des Opfers in dessen geballten Händen, die der Mörder mit Schnur zusammengebunden hatte. In jeder Faust steckte zudem eine schwarze Feder, worauf sich niemand einen Reim machen konnte.
Bleeker wurde nicht auf dem Friedhof von St. Anthony begraben, sondern auf dem städtischen Friedhof. Unter dem Namen und den Daten waren auf dem Grabstein drei Zeilen eingemeiÃelt: UNSER GELIEBTER SOHN / ZU GUT FÃR DIESE WELT / NUN EIN ENGEL IM HIMMEL. AuÃerdem war der dunkelgraue Granit mit einem in Porzellan gebrannten Foto des Verstorbenen geschmückt, dessen hübsches, von einem liebenswerten Lächeln erfülltes Gesicht tatsächlich aussah wie das eines Hollywood-Engels.
Zwei Monate nach der Beerdigung fuhr Howie kurz nach dem Morgengrauen mit seinem Fahrrad zum Friedhof. In der Vase vor dem Grabstein stand ein groÃer Strauà Plastikblumen, von Sonne und Regen ausgebleicht. Der Granit war mit Vogelkot beschmutzt, und das Gras rundherum gehörte geschnitten. Howie war gekommen, um zu sagen, dass es ihm leidtat und er Bleeker nicht seinem Schicksal überlassen hätte, wenn ihm klar gewesen wäre, dass Blackwood etwas Schlimmeres vorgehabt hatte, als nur die neuen Regeln zu erklären. Das wollte er eigentlich sagen, als er auf dem Rasen vor dem Grabstein auf die Knie sank, aber vor lauter Scham und Schuldgefühlen brachte er zuerst kein Wort heraus. Schweigend kniete er so lange da, bis der Anblick der eingemeiÃelten Worte, des Porzellanfotos, der verblichenen Plastikblumen und der VogelscheiÃe wirkte. Er wirkte wie Benzinreste in einer Verbrennung dritten Grades, lange nach dem Erlöschen der Flammen. Als Howie endlich hätte sprechen können, wollte er es nicht mehr, denn er konnte einfach nicht ertragen, welche Falschheit sich in dem ausdrückte, was er sah. Ob es nun absichtliche Täuschung oder pure Illusion war, so hatte er Bleeker nie lächeln sehen, so unschuldig nicht. Von einem ENGEL konnte nicht die Rede sein. Die VogelscheiÃe, die verblichenen Plastikblumen und das ungepflegte Gras straften die Bezeichnung GELIEBTER SOHN Lügen. Hätte Howie versucht, etwas zu sagen, so hätte er nur vor Abscheu und Enttäuschung aufschreien können. Deshalb stand er auf und blieb stehen, bis sich sein Zittern gelegt und sein Herzschlag beruhigt hatte. Dann schob er das Fahrrad über den Rasen zur StraÃe und fuhr nach Hause.
Als sich im nächsten Sommer, eine Woche vor seinem
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