Die russische Herzogin by Durst-Benning Petra
Autor:Durst-Benning, Petra [Durst-Benning, Petra]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Historischer Roman
ISBN: 9783471920121
Herausgeber: Ullstein eBooks
veröffentlicht: 2010-09-14T17:00:00+00:00
19. KAPITEL
Im großen Saal des Schlosstheaters flirrten Staubkörner im hereinfallenden Sonnenlicht wie kleine Diamanten in der trockenen Luft. Während der Mann am Klavier, der die Übungsstunde der Balletttruppe begleitete, sich immer wieder mit einem Taschentuch den Schweiß aus der Stirn wischte, sprangen, hüpften und schwebten die zwanzig Tänzerinnen auf der Bühne umher wie Feen an einem frischen Frühlingsmorgen. Sie trugen blonde Perücken und riesigen Kopfschmuck, ihre Gesichter waren verborgen hinter Masken aus Federn, Perlen und Seidenstickerei. Ihre silberglänzenden Kostüme bauschten sich über ausladenden Reifröcken, unter denen bei gewagteren Sprüngen hie und da ein Stück Knöchel hervorlugte.
»Meine Etty … Ist sie nicht wunderbar?«, seufzte Herzog Eugen von Württemberg.
Leises Kichern ertönte, vergessen war die Schrittfolge, vergessen auch das Spiel des Pianisten, die maskierten Köpfe der Damen drehten sich erneut in Richtung des gutaussehenden Herrn und seines Begleiters. Beide trugen eine mit gelben Biesen und Ärmelaufschlägen auffällig verzierte dunkelblaue Uniform. Diese Uniform kannte im Land jedes Kind, denn nur das Regiment des Königs durfte sie tragen. Die Offiziere des Württembergischen Ulanenregiments hatten einen besonders ehrbaren Ruf.
Wütend warf der Ballettmeister einen Blick in die dritte Stuhlreihe. Am liebsten hätte er die beiden Störenfriede verjagt, aber der eine davon war Prinz Wilhelm, und ihn konnte er wohl schlecht des Hauses verweisen. Wer der zweite Herr mit den schwarzen Haaren und dem kräftigen Schnauzbart war, wusste er nicht. Er schien jedoch mindestens so hochwohlgeboren zu sein wie der Prinz.
»Für mich sehen die Tänzerinnen alle gleich aus«, raunte Prinz Wily Eugen zu. Unter den Masken konnte man ja nicht einmal die Gesichter erkennen! Da er jedoch den exquisiten Frauengeschmack seines besten Freundes kannte, war davon auszugehen, dass besagte Etelda das schönste Mädchen auf der Bühne war.
»Du Kunstbanause! Wie oft habe ich in der Hölle Frankreichs an Etty denken müssen. Kneif mich, damit ich endlich glauben kann, dass dies hier Wirklichkeit ist.« Ohne seinen Blick auch nur einen Moment von der Bühne abzuwenden, hielt Eugen seinem Vetter den linken Arm hin.
»Seltsam, von deinen Sehnsüchten habe ich gar nichts gemerkt«, raunte Wily ihm ironisch zu. »Vielmehr kommt mir, wenn ich an Meaux denke, eine ziemlich heftige Begegnung deinerseits mit einer jungen Dame namens Ivette in den Sinn. Und dann in Nancy – trafst du dort nicht diese reizende Krankenschwester? Chloé hieß sie, wenn ich mich richtig erinnere … Aus Sorge um dein Wohlergehen konnte ich die ganze Nacht nicht schlafen, dabei war ich müde wie ein Hund!«
Der Vorfall, auf den Wily anspielte, hatte sich Anfang September des Jahres zuvor ereignet. Ihre Truppen hatten den Auftrag gehabt, einen Munitionstransport zu eskortieren. Zuvor war aus verschiedenen Kanälen durchgesickert, dass die Franzosen vorhatten, diese hochexplosive Ladung auf Teufel komm raus in ihre Gewalt zu bringen. Dementsprechend nervös waren die Mitglieder des Ulanenregiments. Alle außer Eugen. Denn der schlich sich, unerkannt und als Bauer getarnt, eine Nacht vor Abfahrt des Munitionszugs nach Nancy hinein. Das Flehen seines Vetters Wily, er möge diese Dummheit auf der Stelle vergessen, überhörte er. Er hatte Chloé doch versprochen, dass er sie besuchen kam! Froh gelaunt und mit breitem Grinsen war er kurz nach Morgengrauen wieder aufgetaucht.
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