Die neuen Frauen - Revolution im Kaiserreich - 1900 - 1914 by Carl Hanser Verlag

Die neuen Frauen - Revolution im Kaiserreich - 1900 - 1914 by Carl Hanser Verlag

Autor:Carl Hanser Verlag
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783446245426
Herausgeber: Carl Hanser Verlag
veröffentlicht: 2014-01-28T05:00:00+00:00


Alice Salomon hasst ihr Dasein als »Tochter aus gutem Hause«, bis die »Mädchengruppen« 1893 ihrem Leben Sinn geben. Ihre Soziale Frauenschule, 1908 in Berlin gegründet, ist eine Pioniertat und eröffnet Frauen nie gekannte Chancen in der Sozialpolitik.

Ebenfalls 1908 wurde Alice Salomon, seit acht Jahren im Vorstand vom Bund deutscher Frauenvereine (BDF) aktiv, vom Deutschen Verein für Armenpflege und Wohltätigkeit eingeladen, auf der Jahrestagung zu sprechen. Für Alice Salomon, deren Vortrag mehrmals von großem Beifall unterbrochen wurde, war es ein »goldener Tag« in ihrem Leben. Seit der Gründung der Berliner »Mädchengruppen« 1893 hatte sie als Pionierin mit kluger Entschiedenheit gegen vielfältigen Widerstand die Berufstätigkeit von Frauen in der öffentlichen Wohlfahrtspflege vorangetrieben. In einem bis 1900 rein männlichen Arbeitsfeld, ohne jede Ausbildung, hatten sich mit dem neuen Jahrhundert immer mehr Frauen als Expertinnen erfolgreich auf den Weg gemacht. Mit der neuen Sozialen Frauenschule in Berlin war diese Entwicklung unumkehrbar geworden.

1908 ist auch für die Entwicklung der institutionellen Frauenbewegung ein gutes Jahr. Der Deutsche Evangelische Frauenbund, 1898 gegründet, tritt dem BDF bei, um gemeinsam für eine »der männlichen gleichwertige nutzbringende Rolle der Frau im öffentlichen Leben« zu kämpfen. In Berlin gründen Frauen eine Frauenbank. In Frankfurt am Main wird im Haus der Loge Sokrates ein großzügig eingerichteter Frauenclub gegründet mit täglichem Mittagstisch, Schreib-, Tee-, Wohn- und Lesezimmer. Ein gemütlicher Treffpunkt für »gebildete Frauen aller Stände«, mit Ausstellungen, Konzerten und Lesungen von Frauen, bei denen Männer als Besucher willkommen sind. Schon 1907 war der Verband fortschrittlicher Frauenvereine (VfFV) Mitglied im BDF geworden, um zu demonstrieren, dass es in den grundsätzlichen Zielen der Frauenbewegung keine Spaltung gibt. Insgesamt ist die Zahl der Frauen, die unter dem Dach des BDF in den Frauenvereinen aktiv sind, seit 1900 von 7000 auf rund 20 000 gestiegen.

1908 meldet die Zeitschrift Die Frau, die dem gesamten Spektrum der Frauenvereine im BDF offen steht, Erfolg und Aufschwung bei Berufen, zu denen Frauen bisher keinen Zugang hatten. In Berlin hat eine städtische Irrenanstalt eine Ärztin angestellt; in Preußen gibt es jetzt fünf Gewerbeinspektorinnen; die Anzahl der Rechtsanwaltsgehilfinnen in der Reichshauptstadt hat sich seit 1895 verdoppelt. Der kleine Ausschnitt wird vollauf bestätigt, wenn man auf die aktuellen reichsweiten Berufsstatistiken für Frauen schaut. Im Juni 1907 wurde im gesamten Deutschen Reich eine »Berufszählung« gemacht, deren Ergebnisse alle mit dem Referenzjahr 1895 verglichen wurden. Der Anstieg der Frauen in bisher »männlichen« Berufen erklärt, warum die Emanzipationsgegner wieder vermehrt auf den Plan treten.

Der Deutschnationale Handlungsgehilfenverband (DHV), der weder Frauen noch jüdische Deutsche als Mitglieder aufnimmt, verteilt – bevorzugt von Lehrern und Pfarrern – rund 80 000 Broschüren und Flugblätter. Unter dem Motto »Was soll unsere Tochter werden?« wird an Eltern und junge Mädchen appelliert, »Frauenberufe« wie Dienstmädchen oder Blumenbinderin zu ergreifen. Auch das Berliner Tageblatt wirbt für »speziell weibliche Berufe« wie Garköchin, Hebamme, Schneiderin. Dass diese »Frauenberufe« zu den schlecht bezahlten gehören, zählt für diese Agitatoren nicht. Hauptsache, Frauen werden von den traditionellen »Männerberufen« ferngehalten.

Aber die Appelle aus einer alten, männerbeherrschten Zeit verfangen immer weniger. Das zeigt die »Berufszählung« von 1907. Die Autorin Marie Heller hat sie 1910 in ihrer Promotion über den Wandel der Frauenarbeit seit 1895 ausgewertet.



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