Die letzte Reifung by Henn Carsten Sebastian

Die letzte Reifung by Henn Carsten Sebastian

Autor:Henn, Carsten Sebastian [Henn, Carsten Sebastian]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Belletristik
Herausgeber: Piper ebooks
veröffentlicht: 2011-02-21T23:00:00+00:00


KAPITEL 7

Ein Käse als Haus

Dem Wirt blieb schließlich nichts anders übrig, als die Schwester des Bürgermeisters anzurufen, und diese wirkte nicht einmal überrascht, als sie ihren nicht mehr ansprechbaren Bruder abholen kam.

Plötzlich tauchte Pit aus der rabenschwarzen Nacht auf. »Respekt, Professore. Deutschland – Frankreich 1:0.« Er setzte sich an den Tisch. »Habe ganz zufällig alles mitgehört. Das ist ja ein echter Hammer!«

Der Professor bestellte völlig in Gedanken versunken einen Espresso. Er schien nicht einmal zu bemerken, dass Pit nun neben ihm saß. »Wenn ich doch nur ein Stück dieses Käses kosten dürfte, nur ein winziges. Das würde mir viel über den Mörder verraten. Vielleicht alles.«

Pit sah aus, als müsste er leicht würgen. »Sie würden Käse futtern, der im Mund einer Leiche gesteckt hat?«

»Käse ist Käse. Die Wissenschaft kennt keinen Ekel, nur die Wahrheit.«

»Was bin ich froh, dass ich kein Wissenschaftler bin.«

Auf der professoralen Stirn erschienen ärgerliche Falten. »Wo kommen Sie überhaupt so plötzlich her?«

»Ich habe gehört, dass es gleich regnen soll, und da dachte ich mir, ich hole sie mit meiner Emma ab.«

»Sie haben sich doch nicht etwa Sorgen um mich gemacht?«

»Sorgen? Ich? Um Sie? Ach was! Würde mir niemals einfallen.«

»Gut so. Und jetzt setzen Sie sich bitte gerade an den Tisch, das ist ja nicht mit anzusehen.« Er wartete, bis Pit seinen Oberkörper in die Senkrechte befördert hatte, ehe er weitersprach. »Ich fahre selbstverständlich mit dem Fahrrad zurück, es ist kein Wölkchen am Himmel. Wir sehen uns beim Frühstück. Es sei denn, Sie haben etwas bei Gérard herausgefunden, das Sie mir bereits jetzt mitteilen möchten.«

Pit schüttelte den Kopf. »Der war den ganzen Tag in seinem Verschlag. Benoit hat ihn mal besucht, aber das war auch schon alles. Ich würde lieber wieder in Restaurants … ermitteln.«

»Dafür ist keine Zeit mehr.«

Der Professor trank seinen Espresso mit einem Schluck aus und der Kellner brachte die Rechnung.

Jetzt hatte der Professor einen Grund, vom Stuhl zu fallen. Doch seine norddeutsche Selbstbeherrschung rettete ihn vor dem Absturz.

Mit dieser Summe konnte man an der Universität Hamburg einen neuen Trakt errichten.

Pit griff sich die Auflistung. »Lassen Sie mich das mal machen. Ich weiß, wie das geht.« Er nahm Bietigheims Portemonnaie.

Als er zurückkam, fehlten nur zwei kleine Scheine.

»Wie haben Sie das gemacht?«, fragte Bietigheim. »Nein, antworten Sie nicht! Ich will es gar nicht wissen.«

»War gar nichts Schlimmes. Ich hab nur …«

»Danke, reicht.«

»Von mir aus. Nur ein Hinweis: Sie sollten hier erst mal nicht mehr essen gehen – sonst rufen die einen Arzt. Und der bringt dann eine sehr enge Jacke mit.«

Sie verabschiedeten sich, und Pit brauste mit seiner Emma Richtung Meursault. Der Professor sah den Rücklichtern lange nach, bevor er Benno von Saber in den Fahrradkorb packte und in die Pedale trat. Eine herrliche Nacht, so würzig die Luft, so kühl der Windhauch, so klar der Sternenhimmel und dazu diese wunderbare Stille. Was konnte es Schöneres geben?

Er war bereits eine gute halbe Stunde geradelt und befand sich genau zwischen Pommard und Volnay, als hinter ihm ein Wagen aufheulte. Sicher ein überschwänglicher Jugendlicher, der seinem Affen Zucker geben wollte, jetzt, da die Straße leer war.



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