Die letzte Nacht - Roman by Andrea Fazioli
Autor:Andrea Fazioli
Die sprache: eng
Format: epub
Herausgeber: btb
veröffentlicht: 2011-05-22T04:00:00+00:00
2
Und du, Contini?
Contini sah auf, ließ den Blick über den See schweifen und blinzelte. Dann wandte er sich ab und setzte sich wieder an den Schreibtisch, hielt dabei die ganze Zeit den Hörer ans Ohr. Er sagte:
»Also sind wir so weit.«
»Mehr oder weniger«, antwortete Giotto Raspelli.
»Was heißt hier mehr oder weniger?«
»Nun, für September habe ich Zugang zu Kollers Computer und somit zu den nötigen Informationen. Sie haben bereits die Beschreibung der Tasche, in der das Geld ankommen wird, nach Bellinzona weitergeleitet. Eine schwarze Samsonite, dreißig Liter Fassungsvermögen, denn sie verwenden …«
»Schön, aber …«
»… für alle Transfers dasselbe Modell, da …«
»… bitte lassen Sie am Telefon die Details weg.«
»Natürlich, Verzeihung. Ich habe Salviati schon ein Fax geschickt. Ein Fax ist sicherer als eine Mail. Also jedenfalls …«
»Jedenfalls sind wir so weit.«
»Fast.«
Contini seufzte.
»Was heißt hier fast?«
»Die Informationen sind da. Tatsächlich …«
»Raspelli.«
»Bitte?«
»Haben Sie nun herausgefunden, wann dieser Transfer stattfindet, oder nicht?«
»Das ist das Problem«, der Informatiker senkte die Stimme. »Am Telefon lässt sich, wie gesagt, schlecht darüber reden … das Dumme ist, dass zur Zeit die höchste Sicherheitsstufe gilt.«
»Was heißt das?«
»Sie sind auf der Hut. Als ob etwas durchgesickert wäre. Aber sie wissen nichts. Sie haben die Passwörter nicht ausgetauscht, aber zur Sicherheit haben sie alle weniger dringenden Operationen auf Eis gelegt.«
»Auf Eis gelegt?«
»Verschoben. Bis die von der Sicherheitsabteilung alles durchleuchtet haben. Der Transfer nach … nun ja, der, der euch interessiert, also der …«
»Hab schon verstanden.«
»Also dieser Transfer ist auf Dezember verschoben worden.«
»Auf Dezember?«
»Genau.«
»Dezember …«
Contini verabschiedete sich von dem Informatiker und legte das Telefon auf den Schreibtisch. Er war unschlüssig. Banken, Sicherheitsabteilung, Transfers. Es kam ihm vor, als sei das alles nicht real. Seit er sich bereiterklärt hatte, Jean zu helfen, hatte er wie in einer Art Traum gelebt. Im Grunde war er nicht anders als Anna und Filippo Corti.
Und jetzt sollte offenbar bis Dezember nichts geschehen. Kein Transfer, kein Überfall. Vielleicht würde Forster am Ende wirklich klein beigeben müssen. Und Jean bekäme seine Tochter wieder. Aber Contini hegte einige Zweifel …
Er erhob sich vom Schreibtisch und sah wieder hinaus auf den See. Er fühlte sich wie ein Tier im Käfig. Er wollte keinen Rückzieher machen, aber etwas in seinem Inneren wehrte sich gegen die Vorstellung, eine Straftat zu begehen.
Dezember. Es war, als hätte der Informatiker gesagt: in einem anderen Leben oder in einer anderen Welt. Aber nicht mir, dachte Contini, das Ganze passiert nicht mir.
»Dezember? Ich kann nicht bis Dezember warten!«
»Du wirst es tun müssen. Es sei denn, du willst …«
»Nein«, schrie Forster, »ich werde nicht darauf verzichten!«
»Aber …«
»Hör zu, Salviati, du tätest gut daran, mich nicht nervös zu machen!«
»Schon gut. Ich weiß, dass du am längeren Hebel sitzt. Aber schließlich habe nicht ich den Transfer verschoben. In der Bank läuft gerade eine Untersuchung der Sicherheitsabteilung, die …«
»Ich scheiß auf diese Untersuchung! Was sollen sie schon entdecken?«
An dieser Stelle mischte sich Contini ein:
»Nun, ich würde der Sache nachgehen. Offensichtlich hat euer Freund Marelli irgendwelche Spuren hinterlassen.«
Forster funkelte ihn an.
»Niemand hat dich nach deiner Meinung gefragt!«
Sie waren wieder einmal in seinem Büro. Und wieder war Contini dabei.
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