Die letzte Lagune by Nicolas Remin

Die letzte Lagune by Nicolas Remin

Autor:Nicolas Remin [Remin, Nicolas]
Die sprache: deu
Format: mobi, epub
Tags: Italien, Historisch, Krimi-Thriller
Herausgeber: eBookCreatorNet
veröffentlicht: 2010-01-01T21:00:01+00:00


31

Tron würde Marchmains sala nicht wiedererkannt haben, wenn er nicht gewusst hätte, dass er sich im Palazzo Zafon befand. Ein schwarzgekleidetes Dienstmädchen - selbst ihre Haare waren rabenschwarz - hatte ihn durch das Treppenhaus in die sala geführt und ihm angekündigt, dass die Signorina und der Signore gleich zu ihm kommen würden. Jetzt stand Tron - die Teppiche waren entfernt worden - auf dem nackten Terrazzofußboden und bestaunte die Veränderungen, die in erstaunlich kurzer Zeit an der sala vorgenommen worden waren. Ihm war kalt, denn offenbar hatte man, mit Rücksicht auf die spezielle Benutzung des Raumes in den nächsten Tagen, die beiden großen Öfen des Ballsaals kaum beheizt. Graues Winterlicht fiel durch die Fenster zum Canalazzo und schien alle Farben im Raum getilgt zu haben. Wie in einer Kirche roch es nach Weihrauch.

Der Sarg von Marchmain, schwarz und offen, stand direkt unter einem Kronleuchter aus Muranoglas, dessen weißliche Wachskerzen man durch schwarze Kerzen ersetzt hatte. Neben dem Sarg war ein kleiner Tisch postiert worden, auf dem ein aufgeschlagenes Buch mit leeren Seiten lag - das Kondolenzbuch, in das die Trauergäste sich eintragen konnten, nachdem sie einen letzten Blick auf Marchmain geworfen hatten. Tron wusste nicht, wann Dr. Lionardo die Leiche freigeben würde. Der medico legale hatte allerdings im Fenice angedeutet, dass die Sektion nicht viel ergeben würde. Woraus zu schließen war, dass die Leiche von Marchmain sehr bald, vielleicht bereits heute Abend, in den Palazzo Zafon überführt werden konnte.

Tron trat neben den Sarg und betrachtete, wie jedes Mal, wenn er die Gelegenheit dazu hatte, dessen Inneres mit einer gewissen morbiden Befriedigung. Da lag man also, wenn der Lebensfaden zu Ende gesponnen war - durchaus bequem, denn der Sarg war mit einer Polsterung aus weißem Satin versehen worden und erinnerte Tron immer an ein Coupé erster Klasse. Das Weiß der Polsterung war der einzige helle Farbton im Raum. Die zahlreichen, in die Wände eingelassenen Spiegel hatte man mit schwarzen Tüchern verhängt; über die Sessel, denen die sala Marchmains die plüschige Foyer-Atmosphäre verdankt hatte, waren schwarze Decken gebreitet worden. Auch das Sofa, aus dessen Tiefe sich Holly Parker und Lime bei seinem letzten Besuch erhoben hatten, war mit einem riesigen Tuch aus schwarzem Samt bedeckt, was allerdings, fand Tron, der ganzen Trauerdekoration einen ungewollten Einschlag ins Erotische gab. Jedenfalls war die Schnelligkeit erstaunlich, mit der die Hinterbliebenen umdekoriert hatten - sie mussten ganze Scharen von dienstbaren Geistern bereits in den frühen Morgenstunden angeleitet und angetrieben haben. Unübersehbar war das Bemühen, nichts falsch zu machen, um nicht durch nachlässige Handhabung der Trauer- und Bestattungsrituale zusätzlichen Verdacht auf sich zu laden.

Zusätzlichen Verdacht? Gab es denn bereits einen Verdacht, der sich auf Holly Parker oder Peter Lime richtete? Oder auf Sebastian Flyte? Und wo steckte der eigentlich? Flyte war als Neffe von Marchmain der einzige männliche Verwandte in Venedig. Da war doch zu erwarten, dass er nach dem Tod seines Onkels die Dinge in die Hand nahm. Und auf wen, überlegte Tron weiter, wartete er eigentlich? Das Dienstmädchen hatte ihm gesagt, dass der Signore und die Signorina gleich kommen würden.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.