Die griechische Frhzeit by Karl-Wilhelm Welwei;
Autor:Karl-Wilhelm Welwei;
Format: epub
Tags: Vor- und Frühgeschichte, Antike
ISBN: 9783406736520
Herausgeber: Verlag C.H. Beck
veröffentlicht: 2019-02-18T00:00:00+00:00
9. Aspekte des Wirtschaftslebens
in den «Dunklen Jahrhunderten» und
in archaischer Zeit
Die ökonomische Basis der Kleingesellschaften in Griechenland in nachmykenischer und archaischer Zeit war die Landwirtschaft, in der sich beachtliche Besitzunterschiede herausbildeten, deren Ursachen allerdings schwer zu eruieren sind. Gewisse Hinweise bieten Andeutungen aus dem 8. Jahrhundert in der Odyssee, wonach ein Besitzer gröÃerer Ländereien Fremden die Möglichkeit zur Kultivierung neuer Anbauflächen bieten und damit zugleich auch ein Abhängigkeitsverhältnis konstituieren konnte (Odyssee 18,357f.). Ein gröÃerer Besitz konnte andererseits auch durch Erbteilung zersplittert werden. Die Folge konnte ein sozialer Abstieg der Erben sein. Gravierender konnte sich in archaischer Zeit die Schuldknechtschaft â d.h. der Ãbergang des Schuldners in den Besitz des Gläubigers â auswirken, die aber im frühen 6. Jahrhundert in Athen durch Solon und in der Folgezeit auch in anderen griechischen Gemeinwesen beseitigt wurde. Generell sollte allerdings die Ausdehnung gröÃerer Güter nicht überschätzt werden. Eher untypisch war die GröÃe der Güter in den weiten Landflächen Thessaliens sowie in Teilen der kolonialen Siedlungsgebiete der Griechen. Auch hierbei handelte es sich indes nicht um Latifundien römischen Typs, so dass die Besitzer keine eigenständigen Machtzellen bilden und die Prozesse der Polisbildung nicht entscheidend durchkreuzt werden konnten. Gefahren für die sich formierenden Polisgemeinschaften gingen in einer Reihe von Gemeinwesen indes im 7. und 6. Jahrhundert von machthungrigen Einzelnen aus, die Hetairien (Gruppen von «Gefährten») um sich scharten und diese zur Errichtung von Tyrannenherrschaften zu instrumentalisieren vermochten.
In den homerischen Epen erscheinen Besitzer gröÃerer Ländereien hingegen eher als GroÃbauern, die sogar anfallende handwerkliche Arbeiten selbst ausführen können. Eine sogenannte geschlossene Hauswirtschaft gab es freilich nicht. Für Arbeiten, die besondere Fertigkeiten erforderten, wurden bereits Spezialisten herangezogen. Schmiede unterhalten auch in dem von Hesiod beschriebenen ländlichen Umfeld (um 700) eine eigene Werkstatt in ihrer Siedlung. Die Ãkonomie in der Abfassungszeit der homerischen Epen stellt noch eine Art marktloses System dar, das die Oikosbesitzer zwingt, etwa Handelsfahrten zur Beschaffung von Eisen und anderen Metallen zu unternehmen und dann gewisse Vorräte zu halten, um Schmieden, die keine Stapelmöglichkeiten hatten, Rohstoffe etwa zur Anfertigung von Waffen oder für sonstige Aufträge zur Verfügung zu stellen. Bis Ende des 6. Jahrhunderts hatte sich aber ein weites Netz von Handelsbeziehungen im Rahmen der griechischen Siedlungsgebiete entwickelt, so dass auch handwerkliche Produkte in gröÃeren Mengen für den Export hergestellt und bestimmte Waren von Händlern regelrecht geordert werden konnten. Berufshändler, die Fernhandel vermittelten, blieben indes zahlenmäÃig beschränkt und bildeten keinen neuen politischen Faktor, wenn auch Erfolg und Gewinne durch Handelsaktivitäten es selbstverständlich ermöglichten, einen hohen Rang im Sozialgefüge der Gesellschaft einzunehmen. Grundbesitz blieb freilich generell das ausschlaggebende Statusmerkmal. GröÃere Landbesitzer trieben aber auch ihrerseits weiterhin Fernhandel, um ihre Produkte abzusetzen. Durch die nach Mitte des 7. Jahrhunderts im westlichen Kleinasien (Lydien) und im Laufe des 6. Jahrhunderts auch in Griechenland einsetzende und sich verbreitende Münzprägung wurden aber die archaischen Gesellschafts- und Wirtschaftsstrukturen nicht insgesamt gleichsam flächendeckend revolutioniert. Zielgerichtete Verfahren einer rationalen Kalkulation bei der Herstellung und beim Vertrieb von Gütern in Verbindung mit innovativer Neustrukturierung von Werkstätten zur Optimierung einer Art Massenproduktion sind nicht erkennbar, so dass entsprechende betrieblich orientierte Verhaltensmuster im archaischen Hellas kaum anzunehmen sind.
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