Die falsche Spur (German Edition) by Viereck Stefanie

Die falsche Spur (German Edition) by Viereck Stefanie

Autor:Viereck, Stefanie [Viereck, Stefanie]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Pendragon
veröffentlicht: 2015-01-05T00:00:00+00:00


10

Behrendt meinte es ernst. Er wollte, dass ich mich der Sache annahm, ganz offiziell, er wollte, dass ich darüber schrieb. Er versprach mir jede Freiheit, Zeit, Geld, Informationen, was immer ich brauchte. Er sagte, ich könnte ihn zitieren und alles verwenden, was er mir erzählt hatte, vor allem in Bezug auf die Methoden der Boulevardpresse. Das Ganze klang nach einer Mischung aus Bußübung und verspätetem Rachefeldzug. Mit meinem eigenen Anliegen hatte es, wie ich fand, wenig zu tun. Ich lehnte ab, aber Behrendt akzeptierte kein Nein. Ich sollte darüber nachdenken, mir Zeit lassen.

Zum Thema Andersen hatte ich vorgeschlagen, das Portrait in der Dezemberausgabe zu bringen, zum Abschluss des Andersen-Jahrs und mit Vorleseempfehlung für die Kleinen zur Weihnachtszeit, endlich einmal nicht die ständig strapazierte Meerjungfrau, sondern Der Schneemann, ein weniger bekanntes Märchen, das vieles über Andersen selbst erzählte. Behrendt nickte zerstreut, sagte, er werde seinerseits darüber nachdenken. So waren wir verblieben.

Als ich zu Hause ankam, fühlte ich mich erschöpft und leer, ein Zustand, der zu der fahlen Farblosigkeit draußen passte. Die Sonne war untergegangen und langsam begann es zu dunkeln. Ich machte kein Licht, legte mich auf mein Bett, wartete darauf, dass die Stille ihre besänftigende Wirkung tat, aber in meinem Ko pf redeten sie alle durcheinander, Behrendt und Lohse und Gudrun und manchmal, leise, ein Kind. Das war der Junge, aber ich konnte ihn nicht verstehen. Ich stand wieder auf und sah hinüber zu Lars. Seine Fenster waren sämtlich hell erleuchtet. Erleichtert griff ich zum Telefon. Diesmal wollte ich zumindest vorher fragen, ob ich willkommen war.

Seine Stimme klang anders, aufgekratzt. Im Hintergrund war Lärm. Ich sagte nichts, sah wieder zu den Fenstern hinüber, und da erst bemerkte ich die anderen. Das ganze Atelier, so schien es, war voller Menschen. – Lars feierte den Frühling. Jedes Jahr irgendwann in der ersten Maihälfte lud er spontan seine Freunde ein. Und Lars hatte viele Freunde. Er hatte schon immer viele Freunde gehabt, auch damals im Internat, obwohl er die Menschen nicht suchte. Sie suchten ihn. Er war gern für sich, und in seinem Kopf war so viel los, dass er sich niemals langweilte. Er mochte Geselligkeit, aber er brauchte sie nicht. Vielleicht war es das, was ihn für andere so anziehend machte.

Ich legte auf, ohne etwas zu sagen, aber er hatte meine Nummer schon auf dem Display erkannt, und im nächsten Augenblick klingelte mein Telefon. Ich rührte mich nicht. Der Anrufbeantworter sprang an. „Lena, sei nicht albern, komm rüber, okay? Ich würde mich wirklich freuen. Und unsere Freunde auch.“ Ich sah ihn da oben am Fenster stehen. Er blickte zu mir herüber, aber ich saß noch immer im Dunkeln. „Lena.“ Er hob grüßend den Arm. Die vertraute Geste tat mir weh. Jemand trat hinter ihn, berührte ihn an der Schulter. Eine hochgewachsene Frau. Er drehte sich um, nickte, folgte ihr ins Innere der Wohnung.

‚Unsere Freunde‘, das hatte er schon immer gesagt, aber es stimmte nicht, stimmte in diesem Moment weniger denn je. Es waren seine Freunde. Bei mir klingelte fast nie das Telefon. Bislang hatte mich das kaum gestört.



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