Die extreme Mitte: Wer die westliche Welt beherrscht. Eine Warnung (German Edition) by Wahl Peter & Streeck Wolfgang & Mausfeld Rainer & Flassbeck Heiner & Ali Tariq

Die extreme Mitte: Wer die westliche Welt beherrscht. Eine Warnung (German Edition) by Wahl Peter & Streeck Wolfgang & Mausfeld Rainer & Flassbeck Heiner & Ali Tariq

Autor:Wahl, Peter & Streeck, Wolfgang & Mausfeld, Rainer & Flassbeck, Heiner & Ali, Tariq [Wahl, Peter]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Promedia Verlag
veröffentlicht: 2020-10-01T00:00:00+00:00


1.1. Ist der Nationalstaat obsolet?

Davon unterschieden werden muss eine Nation, die über einen eigenen Staat verfügt, also einen Nationalstaa t 32 bildet. Die Kombination von Nation und Staat verleiht dieser Form von Vergesellschaftung durch Organisierung und Strukturierung der Gesellschaft, durch Institutionen, Gesetze, klar definierte Grenzen etc. ein bisher unübertroffenes Maß an Gestaltungsmacht. Das zeigt sich in Ausnahmesituationen, wie Wirtschafts- und Finanzkrisen und gegenwärtig auch in der Corona-Krise. Überdies ist er bisher der einzige Rahmen, in dem sich die liberale Demokratie und Sozialstaatlichkeit entfalten konnten. All das ist kein Werturteil, sondern nur die Feststellung des Ist-Zustandes. Man kann sich etwas anderes wünschen, wie z. B. die Neoliberalen, deren Anti-Etatismus dem Markt das Monopol als zentrale Regulierungsinstanz zuweisen möchte, oder die Anarchisten, die dem Ideal von Herrschaftsfreiheit anhängen.

Natürlich ist der National-/Territorialstaat eine ambivalente Angelegenheit. Schon weil er Staat ist und seine Gestaltungsmacht unter bestimmten Umständen nach innen und nach außen gefährliche Züge annehmen kann, wenn er in falsche Hände gerät. Aber das ist kein Automatismus. Nicht jeder Staat hat zwei Weltkriege zu verantworten und sechs Millionen Juden ermordet. Und es waren auch andererseits Territorialstaaten, die Auschwitz und Buchenwald befreiten.

In der Diskussion über die Globalisierung gab es häufig das Argument, »die Nationalstaaten« seien obsolet. Da ist insofern etwas dran, als die Transnationalisierung des Kapitalismus die Handlungsspielräume vieler Staaten reduziert. Aber die großen Länder, wie USA und China und, mit Einschränkungen, auch noch einige andere, können ihre Banken und Konzerne durchaus unter Kontrolle nehmen, wenn sie das wollen. Das zeigte sich bereits in der Finanzkrise 2008 und auch 2020 wieder in der Corona-Krise. Insofern ist die Wahrnehmung, es gebe eine »Rückkehr des Nationalstaats«, eine optische Täuschung. Er war nie weg.

Daran wird sich auch so schnell nichts ändern. Der Territorialstaat bleibt noch lange das bestimmende Strukturelement des internationalen Systems. Man kann das beklagen oder begrüßen, 33 aber man kann es nicht leugnen. Das festzustellen hat nichts mit Nationalismus zu tun, also der Ideologie der Überlegenheit des Eigenen und der Abwertung des Fremden.



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