Die ersten drei Jahre Christentum by Gerd Lüdemann

Die ersten drei Jahre Christentum by Gerd Lüdemann

Autor:Gerd Lüdemann [Lüdemann, Gerd]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: zu Klampen Verlag
veröffentlicht: 2014-07-02T16:00:00+00:00


e) Herrenmahl

Der Name »Herrenmahl« kommt nur einmal im Neuen Testament vor.115 Der Begriff ist sicher vorpaulinisch und spiegelt ebenso wie der später bezeugte Ausdruck »Herrentag«116 den Christuskult wider.

Inhalt und Ablauf des Herrenmahls, das Paulus in Korinth etabliert hat, sind in der von ihm weitergegebenen Tradition 1Kor 11,23–25 enthalten. Laut eigenem Bekunden hat er das Ritual vom »Herrn« empfangen. Doch kann dies nicht bedeuten, dass es auf Jesusworte zurückgeht, die Paulus einer Erzählung entnahm oder die ihm der »Herr« offenbarte; denn Paulus benutzt dieselben Begriffe, die er auch 1Kor 15,3 verwendet (»empfangen-überliefert«). Sie stehen für den Vorgang des Empfangs und der Weitergabe von Traditionen und beziehen sich an dieser Stelle darauf, dass Paulus bei seiner Bekehrung die genannte Überlieferung empfangen hat.117 Demnach drückt Paulus mit der Wendung »vom Herrn« in V. 23a zusätzlich aus, dass der irdische Jesus, nämlich der Herr, Stifter des Herrenmahls ist.

Die Einrichtung des Herrenmahls als eines kultischen Ritus erscheint nicht nur in 1Kor 11, sondern auch in den synoptischen Evangelien.118 Sie verstehen das Herrenmahl als Passahmahl und lassen die Jünger auf Geheiß Jesu einen passenden Raum zur Feier des Passah herrichten.119 Darauf aufbauend sind manche Exegeten der Ansicht, das christliche Herrenmahl habe im jüdischen Passah seine Wurzeln, sein Vorbild; überhaupt sei das letzte Mahl Jesu, bei dem es gestiftet wurde, ein Passahmahl gewesen.120

Hans Lietzmann bemerkt dazu kritisch:

»Für das Passahmahl sind die folgenden Dinge charakteristisch: 1) Es wird ein Lamm verzehrt – das fehlt beim Abendmahl (= Herrenmahl, GL). 2) Es wird der Midrasch über den Auszug aus Ägypten und die Wüstenwanderung vorgetragen – das fehlt beim Abendmahl. 3) Man isst kein Brot, sondern ungesäuerte Mazzen – beim Abendmahl isst man Brot. 4) Vier Becher sind pflichtgemäß zu trinken – beim Abendmahl erscheint nur ein Becher. Das will sagen: die für das Passah charakteristischen Züge fehlen beim Abendmahl, und zwar alle, nicht nur diejenigen, deren Wegfall man aus der Umgestaltung einer einmal im Jahr begangenen in eine wöchentlich oder öfter abgehaltene Feier erklären könnte.«121

Paulus akzeptiert zwar die Interpretation von Jesu Tod als Passahopfer122, doch verbindet er diese Deutung nicht mit dem Ritual des Herrenmahls.123 Die Berichte vom Herrenmahl im Neuen Testament beschreiben daher kein Passahmahl; das christliche Herrenmahl wurzelt auch nicht im Passahmahl.

Matthäus hat im Wesentlichen den Bericht des Markus übernommen. Lukas ist abhängig von Markus und der Tradition, die sich bei Paulus findet. Um die Frage nach dem ältesten Text zum Herrenmahl zu beantworten, beginne ich mit der Analyse des bei Paulus aufbewahrten Texts; danach prüfe ich die Fassung des Markus.

Paulus schreibt an die Korinther:

23a Denn ich habe vom Herrn empfangen, was ich euch auch überliefert habe:

23b Der Herr Jesus in der Nacht, in der er ausgeliefert wurde, nahm Brot,

24 und dankte, brach es und sagte: DIES IST MEIN LEIB für euch; dies tut zur Erinnerung an mich.

25 Ebenso auch den Becher nach dem Mahl und sagte: DIESER BECHER IST DER NEUE BUND IN MEINEM BLUT; dies tut, sooft ihr trinkt, zur Erinnerung an mich.

1Kor 11,23–25

Paulus gibt die Einsetzungsworte asymmetrisch wieder –»dies ist mein Leib; dieser Becher ist der neue Bund in meinem Blut«– und kennt ein Mahl, das Brot- und Becherwort trennt.



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