Die erfinderische Lady by Shelley Adina

Die erfinderische Lady by Shelley Adina

Autor:Shelley Adina [Adina, Shelley]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Moonshell Books, Inc.
veröffentlicht: 2015-08-12T16:00:00+00:00


17

Man kann wirklich nicht behaupten, dass Claire eine angenehme Nacht auf ihrem Lumpenhaufen verbrachte. Obwohl Willie ruhig neben ihr atmete, schreckte sie bei jedem Geräusch zusammen und war sofort hellwach, in Erwartung von Ungeziefer oder Diebstahl – ohne zu wissen, was schlimmer wäre. Als schließlich eine wässerige Morgendämmerung über London heraufzog, war sie bereits wach und bedauerte den Mangel an Zahnpulver und warmem Waschwasser.

Bessere Unterbringung musste also ebenfalls auf die Liste dringender Erledigungen, zusammen mit dem Wiedererlangen ihrer Besitztümer und der Stellungssuche.

Sie kämmte ihr Haar mit dem unbeschädigten Schildpattkamm, drehte es zusammen und steckte es zu ihrem üblichen Chignon. Dann zog sie ein frisches Mieder an und stieg mit Rosie im Käfig die Treppe hinab. Stimmen führten sie in die Tiefe des Hauses, wo sie ihre Gefährten, Willie eingeschlossen, in der Küche um einen dreibeinigen Tisch versammelt fand. Ein Backsteinstapel ersetzte das vierte Bein.

Küche war ein großes Wort. Der Raum enthielt nur einen kalten Eisenofen und den Tisch, und die Bretter über dem Ofen waren leer bis auf Schmutz und Spinnweben. Mitten auf dem Tisch lag ein harter Brotlaib, aus dem mit einem Taschenmesser Stücke herausgehackt worden waren, die die Kinder in sich hineinstopften.

»Guten Morgen«, grüßte sie. »Woher kommt das denn?«

Gemurmel antwortete ihr. Rosie stellte sich auf unsichere Füße und starrte auf das Brot, legte sogar ihren Kopf schief, um es nicht aus den Augen zu verlieren.

»Wir warn schon draußen«, sagte ein Möpschen. »Ich hab nen Maiskolben für Rosie.« Sie holte ihn aus ihrer Tasche und hielt ihn hoch.

»Hättich auch essen können«, beschwerte sich Jake. »Ich hab noch Hunger.« Jemand hatte Lumpen um seine verbrannten Hände gewickelt.

Claire öffnete die Käfigtür und legte den Kolben hinein. Rosie stürzte sich darauf wie ein Geier auf einen Kadaver. »Das bisschen Opferbereitschaft wird vergessen sein, wenn wir in ein paar Tagen unsere große Eierpfanne machen. Kann ich bitte etwas Brot haben?«

»LangenSe zu«, sagte Jake.

»Mr. Jake, ein Gentleman würde ein Stück abschneiden und es der Dame anbieten.«

»Ich bin keen Gentleman.«

»Da ich eine Lady bin und keinen Umgang mit Männern pflege, die keine Gentlemen sind, beginnt Ihre Ausbildung auf diesem Gebiet genau jetzt.« Sie strahlte ihn an. »Vielen Dank. Sie sind sehr großzügig.«

Er starrte sie stumm an.

»Meine Güte, Jake, biste taub? Schneiten Stück ab.« Schnabel schob das Messer näher heran.

»Ich bedien die nich. Für was hältste mich?«

»Es geht nicht ums Bedienen, Mr. Jake. Ein Gentleman stellt das Wohlergehen anderer über das seine. Daran erkennt man, dass er ein Gentleman ist.«

»Ich hab gesacht, ich bin kein Gentleman. SchneidenSe Ihr eigenes Brot. Oder besser nich, un dann ess ich es.«

Schnabel fluchte und verpasste ihm eine Kopfnuss. »Mach wattse sagt, Blödmann.«

»Und warum? Erst verbrenntse mich, dann kochtse meine Augen. Wenn irgentwas mein Messer zu spürn kriegt, dann die Frau.«

Obwohl er kaum älter als zwölf oder dreizehn sein konnte, sah Claire tödliche Entschlossenheit in seinen Augen und zweifelte nicht, dass er genau meinte, was er sagte. »Ich hatte Sie gewarnt, nicht die Abdeckung des Landauers zu öffnen, Mr. Jake«, sagte sie ruhig aber fest. »Sie haben damals beschlossen, mich zu ignorieren.



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