Die dunkelgraue Pelerine by Anne Perry
Autor:Anne Perry
Die sprache: de
Format: mobi, epub
Tags: historischer Krimi
Herausgeber: Heyne
veröffentlicht: 2011-11-28T23:00:00+00:00
8
Wallace Loughley, Mitglied des Parlaments, stand fast direkt unter dem riesigen Turm des Big Ben. Es war eine lange Sitzung gewesen, und er war müde. So einen schönen Abend hätte er besser anderswo verbringen können, als sich zum zehntenmal im Unterhaus die gleichen Argumente anzuhören. Es gab eine hübsche Oper im Savoy-Theater, und einige reizende Damen, die er kannte, waren dort.
Die leichte Brise trug den Rauch und Nebel davon, und er konnte den Glanz der Sterne über sich erkennen. Er wollte noch mit dem Kollegen Sheridan reden, der kurz vor ihm seinen Weg über die Westminster Bridge angetreten hatte. Er konnte nicht weit entfernt sein, denn an einem solchen Abend eilte man nicht nach Hause.
Loughley schritt zügig aus, an der Statue der Boadicea mit ihren Pferden und dem Wagen vorüber, die sich schwarz gegen den Himmel abhob. Die Lichter an der Uferpromenade bildeten eine Reihe gelber Monde, die sich dem Lauf des Flusses anpaÃte. Loughley liebte diese Stadt, besonders ihr Zentrum. Hier war der Sitz der Macht, der bis zu Simon de Montfort und zum ersten Parlament im dreizehnten Jahrhundert zurückreichte â ja sogar bis zu dessen Grundanfängen in der Magna Carta und den Satzungen Heinrichs II. davor. Nun war es das Herz eines Weltreiches, dessen GröÃe keiner damals hätte vorausahnen können. Zu jener Zeit wuÃte man nicht einmal, daà die Welt rund war, geschweige denn, daà ein Viertel ihrer Oberfläche britisch sein würde.
Ah, dort vorn war Sheridan. Er lehnte gegen den letzten Laternenpfahl, als warte er auf Loughley.
»Sheridan!« rief Loughley und hob seinen eleganten Spazierstock, um zu winken. »Sheridan! Ich wollte⦠Was ist los mit Ihnen? Sind Sie krank⦠Sieâ¦Â« Der Rest des Satzes ging in einem Fluch unter.
Cuthbert Sheridan war an den Laternenpfosten gebunden.
Sein Kopf hing ein wenig zur Seite, eine blasse Locke fiel ihm in die Stirn. Die Haut des Mannes sah im Kunstlicht fahl aus. Der weiÃe Schal war eng um seinen Hals gebunden, und dunkles Blut tränkte die Seide und verfärbte das Hemd. Sheridans Gesicht mit den starrenden Augen und dem leicht geöffneten Mund wirkte geisterhaft.
Loughley spürte, wie sich der Himmel und der Fluà um ihn zu drehen begannen, und sein Magen revoltierte. Er verlor das Gleichgewicht, stolperte und hielt sich an der Balustrade fest. Es war wieder passiert, und er war allein mit der grauenhaften Leiche auf der Westminster Bridge! Das Entsetzen schnürte ihm die Kehle zu, so daà er nicht einmal schreien konnte.
Er drehte sich um und taumelte zurück in die nördliche Richtung auf den Westminster Place zu. Die Lichter tanzten verschwommen um ihn.
»Alles in Ordnung, Sir?« fragte eine argwöhnische Stimme.
Loughley sah glänzende Silberknöpfe und die gesegnete Uniform eines Polizisten vor sich. Er packte den Arm des Mannes.
»Lieber Gott! Es ist schon wieder geschehen! Dort⦠Cuthbert Sheridan!«
»Was ist geschehen, Sir?« Die Stimme klang äuÃerst skeptisch.
»Ein weiterer Mord! Cuthbert Sheridan⦠mit durchschnittener Kehleâ¦Â«
Zu jeder anderen Zeit hätte P. C. Blackett den zitternden, stotternden Passanten für einen Betrunkenen gehalten, doch die Situation kam ihm entsetzlich bekannt vor.
»Sie kommen mit mir, Sir, und zeigen mir, was Sie gesehen haben.
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