Die drei Marias by Queiroz Rachel De

Die drei Marias by Queiroz Rachel De

Autor:Queiroz, Rachel De [Queiroz, Rachel De]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-05-07T16:00:00+00:00


Maria José kam von der Arbeit nach Hause, warf die Tasche auf das Bett und kam zu mir:

– Weißt du, Guta, ich habe heute Aurinívea, die »Oma« getroffen. Sie wird jetzt Schwester, klar. Sie ist sehr dünn, lachte, als ich sie »Oma« nannte … Und sie erzählte mir von den Mädchen, sie erzählte mir eine schreckliche Geschichte. Erinnerst du dich an Violeta? Violeta aus der zweiten Klasse, weißt du noch? Sie ist verloren …

Ich erinnerte mich gut an Violeta. Sie war öfter mit uns zusammen, obwohl sie zu keiner Gruppe gehörte. Sie war rebellisch, sonderte sich ab, schloß sich niemandem an.

Der Körper entsprach allerdings nicht ihrem schroffen Charakter. Sie war dick, weißhäutig, mit großen, warmen Augen, einem guten, sanften Lächeln, wenn sie einmal lächelte.

Im Grunde war sie zärtlich und empfindsam. Sie mochte Tiere, Kinder und war diejenige, die ihr Blumenbeet am besten pflegte im Gärtchen der Klasse. Sie pflanzte nur Kräuter, die niemand abschneiden durfte, und sie wucherten und verwelkten dort unnütz.

– Gib sie wenigstens den Armen!, sagte die Schwester.

Violeta sah die Schwester frech an:

– Ich habe hier noch nie einen Armen gesehen.

Sie war von Natur aus träge, naschhaft und lustig; aber sie verbarg unbekannte und rebellische Kräfte und konnte sehr schlechtes Benehmen an den Tag legen. Mit einer erschreckenden Unbewußtheit konnte sie sich heftig rächen, wenn sie sich verletzt fühlte, sie erwachte dabei aus ihrer Bequemlichkeit und Ruhe, es gelang ihr, einer Schwester die Röte ins Gesicht zu treiben, sie vor Scham und Wut zum Zittern zu bringen. Und manchmal tat sie das nicht einmal aus Rache, sondern wegen eines bösen Kampfinstinkts, »ein Ausbruch von spontaner Bösartigkeit«, wie sie danach sagte. Ihre Hauptwaffe war der passive Widerstand. Nur selten benutzte sie die starken Mittel: »nur wenn es nötig ist, daß ich mich behaupte …«

Normalerweise ging das so:

– Violeta, antworte auf die zweite Frage!

Violeta sah die Schwester schweigend an, mit ihren großen und warmen Augen, und antwortete nicht.

– Antworte, Kind! Sag wenigstens, daß du es nicht weißt! Aber antworte irgend etwas!

Violeta sagte nichts und sah die Schwester an, mit derselben Miene von argloser Herausforderung. Die Frage konnte zehn-, fünfzehn-, tausendmal wiederholt werden, sie blieb gleichmütig und sah nicht weg. Manchmal gab die Schwester nach und wechselte das Thema und die Schülerin. Oder sie wurde zornig und meldete den Fall der Oberin, vor der Violeta dasselbe stille Lächeln, dieselbe Verachtung bewahrte. Sie konnte auf diese Weise ewig Widerstand leisten. Oder plötzlich das lange Schweigen mit einem harten, verletzenden und unvorhergesehenen Wort brechen, wie einem Schlag ins Gesicht.

Ich weiß nicht, warum sie nicht hinausgeworfen wurde. Aber ich hörte oft, wie von Exorzismus gesprochen wurde, und ich glaube, sie hätten es getan, wenn sie nicht gefürchtet hätten, daß vor dem Pater ein unvorhergesehener Dämon, der in ihr wohnte, hervorbrechen könnte.

Und viele in der Schule glaubten an diesen Dämon. Wir kannten viele Geschichten von Besessenheit, von der seligen Gema Galgani, der reinen und barmherzigen Blume, der der Dämon täglich in der Gestalt eines Löwen, einer Schlange, einer Krake erschien, sie festband, erdrückte und verschlang.



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