Die andere Tochter Roman by Katie Dale

Autor:Katie Dale [Dale, Katie]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783426418031
Herausgeber: Knaur e-books
veröffentlicht: 2015-06-29T16:00:00+00:00

Rosie

Meine Worte durchschneiden mit brutaler Schärfe und Schnelligkeit den Raum. Danach herrscht Totenstille. Holly starrt mich wie benommen an, aber ich vermag ihr nicht in die Augen zu sehen.

»Holly …«, flüstert Jack, nimmt ihre Hand, aber sie rührt sich nicht.

Ich blicke mit glühenden Wangen zu Boden. Jetzt weiß ich, wie sich Pandora gefühlt haben muss.

»Es wird sich alles finden, mein Schatz«, sagt Jack beruhigend und streichelt ihre Hand.

»Wie denn? Es ist erblich. Werde ich bald sterben?«

»Nein«, antwortet Jack. Da ist ein Aufruhr von Gefühlen in seinen Augen, und für einen Moment versagt ihm die Stimme. »Nein, das wirst du nicht. Es ist noch nicht einmal sicher, dass du die Krankheit geerbt hast. Es besteht die Möglichkeit.«

Sie starrt ihn an. »Wie groß ist die Chance, dass ich sie habe?«

Jack zögert. »Fünfzig Prozent. Stimmt doch, Rosie?«

Ich nicke gedankenverloren und spüre Hollys Blick auf mir, bringe es aber nicht fertig, sie anzusehen.

»Fünfzig Prozent! Die Chance ist also genauso groß, dass du sie nicht hast. Okay, Holly-Molly?« Seine Stimme ist erfüllt von der Entschlossenheit, die Hoffnung nicht aufzugeben, aber auch von Furcht. »Okay?«

Ich presse meine Lider zusammen, während ich mich daran erinnere, wie man die gleichen Worte zu mir gesagt hat, und spüre Hollys Schmerz, als sie langsam zu begreifen beginnt. Ich habe mich geirrt, es ist nicht immer das Beste, die Wahrheit zu kennen. Unwissenheit ist ein Segen, heißt es nicht so? Und ich habe gerade ihre Unwissenheit, ihr Glück, ihr Leben mit diesem Vorschlaghammer namens Wahrheit zerstört.

Holly hat recht, ich bin egoistisch. Hätte ich es doch lieber sein gelassen, wäre einfach gegangen.

Ich schiebe mit einem scharrenden Geräusch den Stuhl zurück und durchbreche damit die Stille.

»Es tut mir leid.« Ich stehe auf und stolpere zur Tür. »Schrecklich leid. Ihr wollt jetzt bestimmt lieber unter euch sein.«

»Rosie …« Jacks Stimme ist sanft, versetzt mir aber dennoch einen Stich.

»Tut mir wirklich leid.« Ich flüchte durch die Tür und renne die Stufen hinunter.

Sie musste es erfahren, versuche ich mir einzureden, versuche den Anblick ihres Gesichts aus meinem Gedächtnis zu löschen – kreidebleich vor Schreck, die Augen weit aufgerissen, während ich ihre Welt zerstörte.

Sie musste es erfahren. Oder nicht?

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