Die Wolkeninsel (German Edition) by Juliet Marillier

Autor:Juliet Marillier [Marillier, Juliet]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783426555705
Herausgeber: Verlagsgruppe Droemer Knaur
veröffentlicht: 2015-02-08T16:00:00+00:00

An einem nach Westen gelegenen Strand in Hrossey standen kurz nach Sonnenuntergang drei Frauen still um ein kleines Feuer. Eine war jung, schlank und blass. Ihre Miene war distanziert und ernst, ihr braunes Haar war zu einem strengen Zopf geflochten. Sie trug einen Rock und ein langes Hemd in schlichtem Grau und einen kleinen Lederbeutel um den Hals. Das war Eanna, Priesterin der Mysterien, Creidhes Schwester. Sie hatte die Augen geschlossen und die Arme ausgestreckt; der Rauch des Feuers stieg vor ihr auf und zeigte ihr Bilder der Vergangenheit, Gegenwart und möglichen Zukunft.

Margaret und Nessa standen nebeneinander und warteten. Sie hatten Antworten gesucht; ob Eanna sie ihnen geben konnte, würden sie nun erfahren. Die Weise Frau kam üblicherweise nicht hierher, um ihre Rituale zu vollziehen; sie lebte allein an ihrem heiligen Ort, und wenn Menschen die Wahrheit suchten, dann kamen sie zu ihr. Aber Nessa, Eannas Mutter, war nun schon weit fortgeschritten in ihrer Schwangerschaft, und dieses Kind durfte auf keinen Fall in Gefahr gebracht werden. Alle wussten, wie sehr sich Nessa und Eyvind nach einem Sohn sehnten, obwohl niemand offen darüber sprach. Und das war nicht alles. Nessa war die letzte Prinzessin des Volks, der uralten Bewohner der Hellen Inseln. Wenn die Ankunft der Norweger die Inseln nicht für immer verändert hätte, wäre der Sohn einer solchen Prinzessin König geworden, denn die königliche Abstammung wurde durch die weibliche Linie weitergeführt. Es gab keine Könige mehr auf den Hellen Inseln. Dennoch, dieses Kind würde für das alte Volk ein mächtiges Symbol des Überlebens und des alten Glaubens sein. Nessa hatte das Reiten aufgegeben, sie reiste auch nicht in einem Wagen, und es war zu weit für sie, um zu Fuß zu Eannas Heiligtum zu gehen. Also war die Weise Frau zu diesem Strand gekommen, der nicht weit vom Haus der Familie lag, und hatte mit den Rezitationen begonnen, als die Sonne auf das westliche Meer zu sank. Sie hatten diese Stelle aus einem bestimmten Grund gewählt. Nessa glaubte, dass das Kind durch den Seehundstamm gefährdet war, dieses im Meer lebende Volk, das ihr schon den kleinen Kinart genommen hatte. Sie fürchtete dies mehr als alles andere, als das Kind in ihr weiterwuchs und sie spüren konnte, wie es heftig gegen das Gefängnis des Mutterleibs trat. Sie war nicht sicher, ob der Seehundstamm damit zufrieden war, ihren einzigen Sohn zu nehmen, obwohl sie vor so vielen Jahren, als sie ihr halfen, den Eindruck erweckt hatten, dass sie es freiwillig taten, aus Liebe zu den Inseln. Sie fürchtete um das ungeborene Kind, und sie hatte Angst um Creidhe. Es kam ihr unangemessen vor, bei diesem Anlass selbst die Hilfe der Ahnen zu suchen; Nessa wusste, dass ihr der Abstand fehlte, um die Vision zu sehen und ihre Bedeutung klar zu entschlüsseln. Ihre Tochter war nun die Priesterin, und Eanna würde diese Last für sie tragen.

Margaret hielt nicht viel von Göttern und den Geistern der Ahnen. Die wenigen Male, wenn sie um Hilfe gebeten hatte, hatte sie das Ergebnis nicht sonderlich nützlich gefunden.

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