Die Weissagerin by Albrecht Gralle

Die Weissagerin by Albrecht Gralle

Autor:Albrecht Gralle [Gralle, Albrecht]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-944257-22-8
Herausgeber: Hallenberger Media UG (haftungsbeschränkt)
veröffentlicht: 2015-10-24T16:00:00+00:00


»Die Märtyrer schützen uns, die wir in unserem Körper leben, und nehmen uns in ihre Obhut, wenn wir ihn verlassen haben... Deshalb haben unsere Ahnen dafür Sorge getragen, unsere Körper den Gebeinen der Märtyrer zuzugesellen. Christus erleuchtet sie und seine Klarheit nimmt von uns die Finsternisse.«

Maximus Turinus, 6. Jahrhundert, Übersetzung aus dem Lateinischen.

Kapitel 12

Währenddessen schleppten Agnes und Gna einen Bottich mit stinkendem, halb gegerbtem Leder zum Fluss. Die Häute hatten jetzt tagelang in der Brühe gelegen, die die beiden Mädchen aus Kot und Urin zusammengebraut hatten. Jetzt mussten die Stücke gewaschen werden, dann wurden die letzten Reste, die sich in dem Gemisch gelöst hatten, mit einem breiten Messer abgeschabt und das Leder für ein halbes Jahr in eine Flüssigkeit aus Wasser und Eichenrinde gelegt.

Obwohl die Mädchen die übel riechende Flüssigkeit ausgekippt hatten, waren die Häute noch vollgesogen und schwer davon. Während sie mühsam ihre Last weiterschleppten, wurden sie wie üblich bewacht. Und der Wächter machte seine Sache gut, denn je näher das Fest rückte, desto schärfer musste das zukünftige Menschenopfer bewacht werden.

Die Herbstluft war kälter geworden und nur noch vereinzelt hingen braune und gelbe Blätter an Eichen und Buchen. Auf dem Boden war das Laub zu einem dicken Teppich herangewachen und es raschelte, wenn die beiden Mädchen durch das Laub stapften.

Die Sonne war um diese Zeit - es war Nachmittag - immer noch hinter der dicken milchigen Wolkenschicht versteckt und ließ nur trübes Licht hindurch, das die Bäume und den Blätterboden in blassen Farben erscheinen ließ. Die Luft war feucht, besonders in der Nähe des Flusses, und legte sich auf die nackten Arme und roten Hände, sodass sie kalt und klamm wurden.

»Die Häute sind so ... so schwer.« stöhnte Gna mit rotem Gesicht. »Wenigstens werden sie dann nicht vom Wasser weggeschwemmt, wenn wir sie waschen.«

»Hm«, nickte Agnes. Mehr brachte sie vor Anstrengung nicht heraus. Endlich waren sie am Fluss angelangt und warfen sich erschöpft ans Ufer.

Wie einfach wäre es, jetzt zu fliehen, dachte Agnes, als sie auf den schnell fließenden Fluss blickte. Wenn sie nicht solche Angst vor dem Wasser hätte, dann würde sie in die kalten Fluten springen, sich von der Strömimg bis zum Rhenus treiben lassen... Aber, es war unnütz, darüber nachzudenken, denn wenn sie keine Angst vor dem Wasser gehabt hätte, dann wäre sie nicht erst geraubt worden, weil sie mit einem Boot oder einem Kahn auf der Mosella gefahren wäre.

»Worüber denkst du nach?«, fragte Gna, die beobachtet hatte, wie sich Agnes' Lippen stumm bewegten.

Agnes schloss die Augen. Sollte sie es sagen? Es blieb ihr wahrscheinlich nichts anderes übrig. Noch drei Tage hatte sie Zeit. Was nützte es, die Gedanken zu verschweigen? Außerdem musste sie ja sowieso Gna von ihrer Flucht überzeugen. Dann konnte sie auch gleich damit anfangen.

»Ich denke darüber nach, dass ich ... dass ich fliehen muss«, sagte Agnes und warf ein Stück Leder mit lautem Platschen auf den schmalen Kiesstreifen, sodass Wasser auf ihr Kleid spritzte.

Gna seufzte: »Du hast es also immer noch vor. Und ich dachte, du hättest dich an den Gedanken gewöhnt, dass dein Leben mit dem Opfer endet.



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