Die Versteigerung von No. 49 by Thomas Pynchon

Die Versteigerung von No. 49 by Thomas Pynchon

Autor:Thomas Pynchon [Pynchon, Thomas]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
ISBN: 9783644544918
Herausgeber: Rowohlt E-Book
veröffentlicht: 2016-02-15T16:00:00+00:00


5

OBWOHL SIE URSPRÜNGLICH ALS NÄCHSTEN SCHRITT vorgehabt hatte, wieder mit Randolph Driblette Kontakt aufzunehmen, entschied sie sich statt dessen doch dafür, hinauf nach Berkeley zu fahren. Sie wollte herausfinden, woher Richard Wharfinger seine Information über Trystero bekommen hatte. Dabei wollte sie möglicherweise auch gleich nachprüfen, wie der Erfinder John Nefastis seine Post bekam.

Genau wie Mucho nicht verzweifelt gewesen war, als sie aus Kinneret abfuhr, schien es auch Metzger nicht allzu hart zu treffen. Sie fuhr in nördlicher Richtung davon, war aber noch unschlüssig, ob sie schon auf dem Weg nach Berkeley zu Hause haltmachen sollte oder erst bei der Rückfahrt. Es stellte sich heraus, daß sie sowieso die Abfahrt nach Kinneret verpaßt hatte, und damit war das Problem gelöst. Sie schnurrte die Ostseite der Bucht entlang, kletterte dann in die Berge von Berkeley hinein und kam kurz vor Mitternacht in einem weitläufigen Hotel an, das in deutschem Barockstil gehalten war und sich über viele Ebenen hinzog. Das ganze Haus war mit tiefgrünen Teppichen ausgelegt und strotzte vor geschwungenen Korridoren und prangenden Kronleuchtern. Auf einem Schild in der Halle stand WILLKOMMEN, KALIFORNISCHE SEKTION DES AMERIKANISCHEN TAUBSTUMMENVERBANDES. Alle Lampen brannten, es war geradezu alarmierend hell, eine wahrhaft drückende Stille erfüllte das Gebäude. Hinter dem Empfangspult, wo er geschlafen hatte, sprang ein Angestellter auf und begann in Zeichensprache auf sie einzureden. Oedipa überlegte, ob sie an ihre Stirn tippen und ihm einen Vogel zeigen sollte, nur um zu sehen, was dann passieren würde. Aber sie war die ganze Strecke in einem Stück durchgefahren, ohne zu rasten, und auf einmal überkam die Müdigkeit sie mit aller Kraft. Durch Korridore, die in sanften Kurven verliefen wie die Straßen von San Narciso, brachte der Angestellte sie in äußerster Stille zu einem Zimmer, in dem die Reproduktion eines Remedios Varo hing. Sie schlief fast sofort ein, hatte dann aber einen Alptraum über etwas, das mit dem Spiegel zu tun hatte, der an der Wand zu ihrem Fußende stand, und konnte danach lange nicht mehr einschlafen. Nichts Besonderes war geschehen, nur eine Möglichkeit, die nicht einmal stark genug war, um überhaupt gesehen werden zu können. Als es ihr schließlich doch gelang, wieder einzuschlafen, träumte sie, daß Mucho, ihr Mann, sie auf einem weichen weißen Strand fickte, auf einem Strand, den sie aber in keinem Kalifornien, das sie kannte, je gesehen hatte. Als sie am Morgen aufwachte, saß sie sofort ruckartig kerzengrade im Bett und starrte auf ihr eigenes erschöpftes Gesicht im Spiegel.

Sie fand die Lectern Press in einem kleinen Bürogebäude an der Shattuck Avenue. Die Plays of Ford, Webster, Tourneur and Wharfinger hatten sie zwar nicht lagernd, ihren Scheck über 12 Dollar 50 nahmen sie jedoch an und gaben ihr die Adresse ihres Lagerhauses in Oakland sowie eine Anweisung, die sie den Leuten dort zeigen sollte. Als sie das Buch endlich hatte, war es Nachmittag geworden. Sie blätterte es rasch durch, um die Zeile zu finden, wegen der sie sich die ganze Arbeit gemacht hatte. Dann erstarrte sie förmlich mitten im laubdurchbrochenen Sonnenlicht.

No hallowed skein of stars can ward, I trow, ging das Verspaar, Who once has crossed the lusts of Angelo.



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