Die Value Investor Ausbildung by Guy Spier
Autor:Guy Spier [Spier, Guy]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: FinanzBuch Verlag
veröffentlicht: 2015-01-17T23:00:00+00:00
9. Wie ich Stepptanz lernte – Eine neue Leichtigkeit
Mit dem Umzug nach Zürich beschloss ich, dass ich auch andere Aspekte meines Lebens ändern musste. Es ging nicht nur darum, mir ein Umfeld zu schaffen, in dem ich rationaler, weniger abgelenkt und ruhiger wäre. Ich wollte meine ganze Lebenseinstellung ändern.
Angesichts der Stärke und Intensivität der Erlebnisse von 2008/09 war es mir schwergefallen, im Gleichgewicht zu bleiben. Darin liegt eine der größten Herausforderungen für Investoren. Wir wissen alle, dass es wichtig ist, physisch gesund zu sein, ein erfüllendes Privatleben zu haben und ein gewisses emotionales Gleichgewicht zu halten. Aber diese ganzheitliche Sichtweise ist nicht nur ein New-Age-Larifari-Traum. Es ist tatsächlich schwer, gut zu investieren, wenn das Leben des Investors außerhalb der Investmentwelt aus dem Gleichgewicht geraten, ein totales Chaos oder völlig vernachlässigt und praktisch nicht vorhanden ist.
Die großen Investoren sprechen selten öffentlich über ihre emotionalen Herausforderungen. Aber George Soros gewährte einigen Einblick in den Stress des Investierens. Er schrieb, es habe Momente gegeben, in denen er sich nicht sicher war, ob er seinen Fonds führte oder der Fonds ihn. Im Gegensatz dazu erzählte Buffett einmal, er tripple jeden Morgen im Stepptanz zur Arbeit. Seine Lockerheit und Lebensfreude spiegeln sich in seinem Humor und seiner Liebe zum Bridgespiel wider. Er hat seine Leidenschaften gefunden und erfreut sich daran.
Auch ich wollte an meinem Leben mehr Freude haben und die Leichtigkeit zurückgewinnen, die ich im Lauf der Jahre verloren hatte. In der Finanzkrise gab es Augenblicke, in denen meine Karriere ernsthaft auf dem Spiel stand. Das Gemetzel am Markt war so extrem, dass zahllose Fonds pleitegingen. Selbst so berühmte Investoren wie Bill Miller wurden derart auseinandergenommen, dass ihr Ruf schwer geschädigt wurde. Einer der cleversten Investoren, die ich kannte, ein Kerl aus dem Jahrgang über mir in Harvard, verlor 80 Prozent und musste seinen Fonds schließen. Er war erst Anfang vierzig, aber seine vormals schillernde Karriere als Investor war offensichtlich vorbei. Für mich war der Crash etwas Ähnliches wie eine Nahtoderfahrung: Er zwang mich, zu überdenken, wie ich leben wollte und was mir wirklich wichtig war.
Inmitten dieser Sinnsuche ging mir auf, dass ich ein Gefangener meiner eigenen Sichtweise gewesen war: Ich hatte meine Karriere als Kampf auf Leben und Tod gesehen. Meine Einstellung war einfach zu extrem gewesen: Ich wollte nicht nur ein toller Investor sein, sondern Warren Buffett. So viele Jahre lang hatte ich mich selbst mit fast manischem Tunnelblick auf meine Ziele vorwärtsgetrieben, hatte geglaubt, dass meine Examensergebnisse, meine Leistungen an der Universität und meine Fondserträge alles seien und dass sie bestimmten, wer ich war und was ich wert war.
Vielleicht kam das von der Wertvorstellung, die mir meine britische Erziehung vermittelt hatte. Ab dem Alter von elf Jahren ging ich auf ein Internat in England, ein Immigrant und Außenseiter, der vorher schon in Iran, Israel und Südafrika gelebt hatte. Alles an der Schule war für mich ein Kampf und in jener Zeit ging es für mich ums tägliche Überleben. In gewissem Sinn übernahm ich diese Haltung unbewusst in meinem Erwachsenenleben und sah meine Investmentkarriere als eine Art Gladiatorenkampf.
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