Die Tribute von Panem | Gesamtausgabe by Suzanne Collins

Die Tribute von Panem | Gesamtausgabe by Suzanne Collins

Autor:Suzanne Collins [Collins, Suzanne]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Verlag Friedrich Oetinger, Hamburg
veröffentlicht: 2015-11-21T16:00:00+00:00


16Haymitch packt mich am Handgelenk, als wollte er mich zurückhalten, aber ich bin so unfähig zu sprechen wie Darius. Haymitch hat mir mal erzählt, dass die Folterknechte des Kapitols irgendwas mit den Zungen der Avoxe anstellen, damit sie nie mehr sprechen können. In meinem Kopf höre ich Darius’ Stimme, wie sie hell und ausgelassen über den Hob schallt und mich aufzieht. Aber nicht so, wie die anderen Sieger mich jetzt hänseln, denn wir mochten uns wirklich. Wenn Gale ihn sehen könnte …

Jede Bewegung auf Darius zu, jede Geste des Erkennens würde ihm unweigerlich eine Bestrafung einbringen, das weiß ich. Und so starren wir einander nur an. Darius, der jetzt ein stummer Sklave ist; ich, die dem Tod entgegengeht. Was sollten wir uns auch sagen? Dass es uns um das Schicksal des anderen leidtut? Dass wir mit dem anderen leiden? Dass wir froh sind, dass wir uns kennenlernen durften?

Nein, Darius hat keinen Grund, froh darüber zu sein, dass er mich kennengelernt hat. Wäre ich damals da gewesen und hätte Thread gestoppt, wäre er nicht vorgetreten, um Gale zu retten. Dann wäre er jetzt kein Avox. Wäre er jetzt nicht mein Avox, um genau zu sein, denn Präsident Snow hat ihn zweifellos zu meinem ganz persönlichen Wohlbefinden hierher beordert.

Ich winde mein Handgelenk aus Haymitchs Griff, stapfe zu meinem alten Schlafzimmer und schließe die Tür hinter mir ab. Ich setze mich auf die Bettkante, die Ellbogen auf den Knien, die Stirn auf den Fäusten, betrachte meinen in der Dunkelheit glühenden Overall und stelle mir vor, ich säße in meinem alten Zuhause in Distrikt 12, zusammengekauert neben dem Kamin. Die Batterie wird schwächer und langsam wird der Lichtschein von Schwarz überlagert.

Als irgendwann Effie an die Tür klopft, um mich zum Abendessen zu rufen, stehe ich auf und ziehe meinen Anzug aus, falte ihn ordentlich und lege ihn zusammen mit der Krone auf den Tisch. Im Bad wasche ich mir die dunklen Make-up-Streifen aus dem Gesicht. Ich ziehe ein einfaches T-Shirt und eine Hose an und gehe hinunter in den Flur zum Speisesaal.

Während des Essens bekomme ich nicht viel mit, außer dass Darius und das rothaarige Avoxmädchen uns bedienen. Effie, Haymitch, Cinna, Portia und Peeta sind da und unterhalten sich, vermutlich über die Eröffnungsfeier. Doch wirklich anwesend bin ich eigentlich nur ein einziges Mal, als ich absichtlich eine Schüssel mit Erbsen zu Boden fallen lasse und mich, bevor jemand eingreifen kann, bücke, um sie aufzulesen. Darius hockt sich neben mich, ich schiebe die Schüssel zu ihm hin, und für kurze Zeit arbeiten wir Seite an Seite, für niemanden sichtbar, und sammeln die Erbsen ein. Einen kurzen Augenblick lang berühren sich unsere Hände. Unter der butterigen Soße der Erbsen spüre ich seine raue Haut. In der kurzen, verzweifelten Verschränkung unserer Finger drücken wir all die Worte aus, die wir uns niemals werden sagen können. Dann gackert Effie hinter mir: »Das ist nicht deine Aufgabe, Katniss!«, und er lässt los.

Als wir hinübergehen, um uns die Aufzeichnung der Eröffnungsfeier anzusehen, zwänge ich mich zwischen Haymitch und Cinna aufs Sofa, ich will nicht neben Peeta sitzen.



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