Die Traenen des Mangrovenbaums by Anne de Witt

Die Traenen des Mangrovenbaums by Anne de Witt

Autor:Anne de Witt [Witt, Anne de]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783492303248
Google: 4hnDNAEACAAJ
Herausgeber: Piper ebooks
veröffentlicht: 2013-09-14T22:00:00+00:00


Batavia

Zwei Tage später erhielten sie die Nachricht, dass der kleine Vulkanausbruch keine ernsthaften Schifffahrtshindernisse hervorgebracht hatte und die Anne-Kathrin ihre Reise fortsetzen konnte. Alles kehrte an Bord zurück. Der Lotse nahm seinen Platz am Steuerrad ein, und der Hochseedampfer tuckerte mit vorsichtig gedrosselten Maschinen in die gefährliche Fahrrinne.

Da die Sundastraße so eng war und sie im Zickzack fuhren, um den Inseln auszuweichen, kamen sie häufig der Küste so nahe, dass sie Einzelheiten erkennen konnten. Nie im Leben hatte Anna Lisa eine so liebliche Landschaft gesehen wie die Küste von Java. Sie fuhren vorbei an Bananenhainen und Kokosfarmen und riesigen Teeplantagen. Der Strand war breit und weiß, von Palmen gesäumt, hinter denen sich die leuchtend grünen Treppen der Reisfelder hinzogen. Entlang des Ufers zog sich der schneeweiße Saum der Brandung, davor ein breiter Streifen in leuchtendem Türkis, der das seichte Wasser markierte. Zuletzt ging das Türkis in das tiefe Dunkelblau der Fahrrinne über.

Es dämmerte bereits, als sie am Abend des 2. Juni 1880 Batavia erreichten. Das sonore Brüllen der Schiffssirene begleitete das Einlaufen der Anne-Kathrin in den Hafen. Der Dampfer legte jedoch nicht an, sondern verharrte in der Bucht und wartete auf die Tender, die von den Piers ausschwärmten, um die Passagiere an Land zu bringen.

»Die Anne-Kathrin kann nicht unmittelbar in den Hafen einlaufen. Die Bucht ist zwar breit und geräumig, aber nicht tief genug für ein großes Schiff«, erklärte ihr Dr. Lutter. »Der Ciliwung-Fluss schiebt hier ständig gewaltige Massen Schlick und Sand ins Wasser, die Bucht versandet zusehends, sodass die Tiefe oft nur dreißig Meter beträgt. Deswegen wurde auch schon 1877 mit dem Bau eines neuen Hafens östlich von hier bei Tanjung Priok begonnen, aber es wird noch einige Jahre dauern, bis er fertig gestellt ist.«

Anna Lisa zappelte förmlich vor Ungeduld, als sie so lange warten mussten. Schritt für Schritt vorwärtsrückend, stand sie in der langen Schlange der Passagiere, die sich die Landebrücke hinunterzog. Nicht auszudenken, wenn der Dampfer statt in der Abenddämmerung in der ärgsten Mittagshitze angelegt hätte! Zwar wurden die Passagiere der ersten Klasse bevorzugt, aber es dauerte doch sehr lange.

Sie seufzte erleichtert auf, als sie endlich an der Reihe waren und ein Matrose ihr an Deck des Tenders half, der sie an Land bringen sollte. Simeon folgte ihr in einem Tragsessel – es wäre unmöglich für ihn gewesen, sich auf Krücken durch das wüste Gedränge zu kämpfen. Pahti und Tietjens waren an seiner Seite, Fräulein Bertram und die kleine Gesine folgten. Anna Lisa merkte gar nicht, dass sie wie selbstverständlich die Rolle des Familienoberhauptes übernommen hatte: Sie ging als Erste an Bord des Tenders, sie befehligte die Gepäckträger, sie sprach die üblichen höflichen Abschiedsworte zum Kapitän, der am Ausgang Aufstellung genommen hatte. Auch Dr. Lutter sagte sie mit feuchten Augen Lebewohl. Während sie seine Hände umklammerte, flüsterte sie: »Ohne Sie, lieber Doktor, wäre ich verloren gewesen. Wünschen Sie mir Glück für die Zukunft!«

»Ich wünsche Ihnen Glück«, erwiderte er voll Gefühl, aber mit einem traurigen Unterton. »Sie werden es brauchen.«

Sie nutzte die kurze Fahrt mit dem Tender auch, um sich von Gesine zu verabschieden.



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