Die Tote von Charlottenburg by Susanne Goga

Die Tote von Charlottenburg by Susanne Goga

Autor:Susanne Goga
Die sprache: deu
Format: mobi, epub
Tags: Spionage, Belletristik/Krimis, Thriller
Herausgeber: DTV
veröffentlicht: 2013-02-26T23:00:00+00:00


Als er den Flur im Pharmakologischen Institut entlangging, warf Leo einen Blick aus dem Fenster. Hoffentlich war Sonnenschein mittlerweile zu Hause, es war später Nachmittag, der Schabbat hatte bereits begonnen.

Professor Heffter empfing ihn schwungvoll. »Jetzt kommt der Chef höchstselbst. Sehr erfreut.«

Leo setzte sich. »Sie haben uns auf eine Spur gebracht, daher wollte ich Sie gern persönlich sprechen.«

»Eine Spur?«

»Die Purgiernuss, der Wunderbaum und die Paternostererbse.«

»Ach ja, die Toxalbumine«, sagte Heffter lächelnd. »Sehr interessant.«

»Wir vermuten, dass das Gift der Paternostererbse verwendet wurde. Henriette Strauss äußerte, kurz bevor sie starb, das Wort ›Paternoster‹. Da ein Gebet wahrscheinlich auszuschließen ist, ließ Ihr Bericht uns aufhorchen.«

»Sehr ungewöhnlich, dass sie es gemerkt haben soll.«

»Sie war Ärztin und hatte Asien bereist.«

»Trotzdem.«

Leo überlegte. »Vielleicht ist es ihr erst bewusst geworden, als sie merkte, dass sie im Sterben lag.«

»Oder sie hat phantasiert«, gab der Professor zu bedenken. »In einem solchen Zustand wäre das durchaus denkbar.«

Leo nickte. »Angenommen, man hätte sie mit der Paternostererbse vergiftet. Wäre es möglich, das Gift durch Einatmen aufzunehmen, und würde es die beschriebenen Symptome hervorrufen?«

»Vermutlich schon. Aber …« Heffter zögerte. »Ich frage mich, warum man zu einer so ausgefallenen Methode greifen sollte. Andererseits – der Kriminalist sind Sie.«

»Weil es nicht wie ein Mord aussehen sollte«, erklärte Leo sofort. »Wenn jemand mit Schaum vor dem Mund zu Boden stürzt und sich in Krämpfen windet, liegt der Verdacht einer Vergiftung nahe. Sieht es nach einer ganz gewöhnlichen Krankheit aus, besteht für den Täter die Aussicht, damit durchzukommen.«

»Aber es setzt einen Täter voraus, der entsprechende Fachkenntnisse besitzt.«

Der Mann lässt nicht locker, dachte Leo, der für solche Diskussionen durchaus etwas übrig hatte. Nur so gelangte man zu Ergebnissen.

»Ein Punkt für Sie. Also noch einmal von vorn: Was können Sie mir über dieses Gift sagen? Ich hatte nie zuvor davon gehört.«

»Kein Wunder. Die Pflanze ist unter den verschiedensten Namen bekannt: Abrus precatorius, Paternostererbse, Kranzerbse oder auch Krabbenaugenwein, da es sich um eine Kletterpflanze handelt. Ein anderer Name, der sich in Europa verbreitet hat, lautet Jequirity.«

»Auch das habe ich noch nie gehört«, bekannte Leo.

»Weil Sie kein Augenarzt sind.« Heffter lächelte. »Vor ziemlich genau vierzig Jahren führte der Pariser Augenarzt Louis de Wecker das Abrin – so nennt sich das Gift der Pflanze – unter dem Namen Jequirity in die Augenheilkunde ein. Wie Sie wissen, gibt es Gifte, darunter Digitalis oder Belladonna, die in geringen Dosen durchaus medizinische Wirkung besitzen.«

»Ja, das ist mir bekannt. Und man wendet dieses Gift am Auge an?«

»Die Methode gilt heute als veraltet, wurde damals aber eingesetzt, um sozusagen den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben. Mit anderen Worten, man erzeugte mit Hilfe des Giftes eine Entzündung am Auge, um andere Erkrankungen zu kurieren. Es hat tatsächlich funktioniert.«

»Das dürfte für die Patienten wenig angenehm gewesen sein.«

»In der Tat. Daher greift man heute auch zu anderen Behandlungsmethoden, doch Jequirity war damals sehr verbreitet.«

»Wie wurde es verabreicht?«

»Man stellte einen Auszug her, indem man geschälte Samenkörner in Wasser einweichte und die Flüssigkeit danach filtrierte. Sie wurde dann tropfenweise ins Auge gegeben.«

Leo schauderte. »Und wie sieht es mit dem Einatmen aus?«

Heffter wiegte den Kopf.



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