Die Tote vom Nordstrand by Theodor J. Reisdorf

Die Tote vom Nordstrand by Theodor J. Reisdorf

Autor:Theodor J. Reisdorf [Reisdorf, Theodor J.]
Die sprache: deu
Format: mobi
Tags: Krimi/Thriller
ISBN: 9783838754406
Herausgeber: BASTEI LÜBBE
veröffentlicht: 2014-03-12T23:00:00+00:00


14

Harry Kühnast ging nicht ohne Freunde. Trauergäste füllten die Bänke der kleinen Friedhofskapelle. Einige Bankdirektoren und Unternehmer waren extra aus Hamburg angereist. Manche Gäste fielen besonders auf: verlebte Gesichter, die die Luft von St. Pauli zu atmen gewohnt waren. Die Trauerfeier verriet die Regie eines geschickten Organisators.

Blumen und Kränze mit Schleifen lagen im Überfluss um den Sarg. Der Pastor erwähnte einige ereignisreiche Episoden aus dem Leben des Opfers. Er ließ Harry aufsteigen zum Unternehmer, der es mit Fleiß und Geschick zu Wohlstand und Ansehen gebracht hatte. Auch Harrys hilfreiche Art Kranken, Alten und Bedürftigen gegenüber fand die wohltuende Anerkennung des Pastors. Seine Worte hinterließen Tränen in welken Frauengesichtern, während die gestandenen Männer starr geradeaus blickten.

Die Sonne strahlte, als sich schließlich der Trauerzug zu formieren begann. Die Männer, die den Sarg trugen, machten kleine Schritte. Unmittelbar hinter dem Pastor schritten Damen in schwarzen Pelzmänteln, die betroffen zu Boden schauten.

Frau Hansky saß im Rollstuhl. Sie trug ein schwarzes Kostüm mit teurem Pelzbesatz. Auf ihrem Kopf thronte ein kesser Hut, von dem ein Schleier über ihr Gesicht fiel. Ein Mann mit abgedunkelter Brille im englischen Trenchcoat schob das Krankengefährt.

Am Frühlingshimmel segelten ein paar Möwen und schrien in den Wind. Etliche Meter entfernt, im Schatten von Lebensbäumen, standen die beiden Damen der Post, ohne äußerliche Anteilnahme zu zeigen. Sie nickten den Beamten zu, die sich in ihre Nähe gesellten.

Erst als der Sarg in die Gruft gesenkt wurde und der Pastor die letzten Worte an Harry und seinen Gott richtete, kam mehr Bewegung in den Menschenklumpen.

Frau Hansky warf mit starrem Blick gelbe Fresien in die Grube.

Das Damenkränzchen, in schwarzen Flanellkostümen, ließ blaue Iris auf den Sarg fallen.

»Der neue Firmensitz hat ihm einen Platz auf dem Inselfriedhof eingebracht«, sagte Meyers, als sie die Beerdigung verließen.

»Vielleicht wollte die Konkurrenz selbst den toten Harry nicht mehr auf St. Pauli dulden«, sagte Achtendorf.

Sie erreichten den Dienstwagen.

»Herr Kriminalrat, soll ich Sie zum Riffhof fahren, dort ist die Teetafel für die Trauergäste gedeckt?«, fragte Meyers.

»Ich kann Butterkuchen nicht ausstehen. Erst recht nicht, wenn ich an Typen wie Harry denken muss. Aber nach der vorherrschenden Meinung im Sanatorium hat Kühnast sowieso nur irgendeines seiner vielen Leben hier beendet«, antwortete Achtendorf.

»Wir sind zu alt, unser Kollege kann er in einem neuen Leben nicht werden«, scherzte Meyers.

»Herr Kommissar, fahren Sie mich zur weißen Düne. Ich will am Strand entlang zurücklaufen. Bei Sonnenschein, mit dem Blick auf den Sand und das weite Meer, fühle ich mich Gott näher als hier auf dem Friedhof«, sagte Achtendorf lächelnd.

Sie stiegen in den Wagen. Meyers fuhr über die Jann-Berghaus-Straße und bog dann in die Richthofenstraße ein, die quer durch die Dünen führte. Achtendorf schaute verträumt in die schöne Landschaft.

»Herr Kriminalrat, morgen früh um sieben Uhr holt uns ein Wagen ab. Wir werden in Norddeich Anschluss haben. Unsere Maschine fliegt um dreizehn Uhr von Bremen nach Paris. Unser Hotel kenne ich nicht! Aber Lehnartz wird uns schon nicht in eine billige Vorstadtkaserne verfrachten«, meinte Meyers.

Vom Karl-Rieger-Weg hatten sie freien Blick über die grünen Wiesen. Meyers fuhr den Kriminalrat bis zum Parkplatz des Restaurants.



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