Die Therapie by Sebastian Fitzek
Autor:Sebastian Fitzek [Fitzek, Sebastian]
Format: epub
Herausgeber: Droemer Knaur
veröffentlicht: 2010-11-14T23:00:00+00:00
26. Kapitel
Parkum, einen Tag vor der Wahrheit
Um kurz nach acht wurde Viktor vom Klingeln seines Telefons geweckt. Mühsam schleppte er sich nach unten und nahm den Hörer in der Hoffnung ab, dass Isabell endlich zurückrief. Aber er hatte sich geirrt.
»Haben Sie meine Nachricht gelesen?«
Anna.
»Ja.« Viktor räusperte sich und musste wieder husten. Es dauerte mehrere Sekunden, bis er fähig war, das Gespräch mit ihr fortzusetzen.
»Ich wollte Sie gestern nicht weiter stören, aber ich habe am Abend und in der Nacht noch viel nachgedacht.« Und bist spazieren gegangen? Vielleicht in meinem Schlafzimmer?
»Und ich habe jetzt endlich die Kraft, über das Ende zu sprechen.«
Das Ende von Josy.
»Das ist gut«, krächzte Viktor und wunderte sich, dass Anna diesmal noch keine Kommentare über seinen verschlechterten Gesundheitszustand abgegeben hatte. Wahrscheinlich, weil sie selbst sich heute Morgen nicht so gut anhörte, aber das konnte auch an der schlechten Verbindung liegen. Das Telefon rauschte wie bei einem Übersee-Ferngespräch in den siebziger Jahren. »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich gerne jetzt mit Ihnen darüber am Telefon reden. Ich fühl mich heute nicht gut genug, als dass ich Sie besuchen könnte. Aber ich will es mir trotzdem von der Seele reden.« »Selbstverständlich.«
Viktor sah auf seine nackten Füße und ärgerte sich, nicht wenigstens einen Bademantel und seine Hausschuhe angezogen zu haben.
»Ich sagte Ihnen doch, dass wir von Charlottes Zuhause, dem Schloss auf der Insel, fliehen mussten?«
»Vor dem Bösen, wie Sie sich ausdrückten. Ja.« Viktor hatte sich mit einem Fuß einen kleinen Perserläufer herangezogen, der normalerweise unter dem Couchtisch lag. So musste er wenigstens nicht mehr barfuß auf dem Parkett stehen.
»Wir rannten also zurück zum Wagen und brachen auf nach Hamburg. Charlotte sagte mir nicht, warum wir dorthin fahren sollten. Sie gab mir lediglich Fahranweisungen, und ich führte sie aus.«
»Was geschah in Hamburg?«
»Wir checkten im ›Hyatt‹ an der Mönckebergstraße ein. Das Hotel durfte ich mir aussuchen. Und ich entschied mich für diese Luxus-Herberge, denn hier hatte ich in meinen besseren Tagen im Foyer die erfolgreichen Verhandlungsgespräche mit meinem Agenten geführt. Ich hoffte, dass der edel-würzige Duft, den man im ganzen Atrium verspürte, alte und bessere Erinnerungen in mir wachrufen würde.«
Viktor nickte. Er war oft selbst in dem Fünf-SterneHotel abgestiegen. Vorzugsweise in der De-luxe-Suite. »Leider war das Gegenteil der Fall. Ich wurde immer depressiver und gereizter. Konnte kaum einen klaren Gedanken fassen. Außerdem wurde Charlotte immer mehr zu einer Belastung für mich. Es ging ihr gar nicht gut. Sie machte mir ständig Vorwürfe. Also gab ich ihr wieder die Medikamente, und als sie auf dem Bett eingeschlafen war, begann ich zu arbeiten.«
»An der Fortsetzung des Buches?«
»Ja. Ich musste es zu Ende schreiben, wenn ich nicht ewig in diesem Albtraum weiterleben wollte. So dachte ich wenigstens. Und nach langem Grübeln fand ich endlich etwas wie einen roten Faden für die nächsten Kapitel.«
»Und der war?«
»Ich musste über die Ursache von Charlottes Krankheit schreiben und dabei die Zeichen berücksichtigen, die sie mir bisher gezeigt hatte. Sie hatte davon gesprochen, alles habe im Bungalow angefangen. Zuerst dachte ich deshalb, ich müsste die Geschichte so erzählen, dass bei Charlotte die ersten Krankheitssymptome im Waldhaus auftreten.
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