Die Tante by Schopenhauer Johanna
Autor:Schopenhauer, Johanna
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: (Privatkopie)
veröffentlicht: 2010-02-03T05:00:00+00:00
Vicktorine und die Tante wurden bald darauf in das Wohnzimmer abgerufen, wo Sir Charles den Damen einen Morgenbesuch abzustatten wünschte; und so wenig sie auch in diesem Augenblicke zur Fröhlichkeit gestimmt seyn mochten, so konnten sie sich dennoch kaum enthalten, laut auf zu lachen, als sie die wunderliche Gruppe erblickten, die sie dort vorfanden.
Mit einem völlig nichtssagenden Gesicht, wie zwischen Schlafen und Wachen, saß, oder lag vielmehr Sir Charles in einem Armstuhle nachlässig hingestreckt; neben ihm aufrecht sitzend sein großer Hund, dem er mit der rechten Hand die Ohren kraute, und auf seiner linken Schulter saß Koko, der Affe. Dazu hatte er einen hellblauen leinenen Kittel an, zwar von etwas feinerem Stoffe, doch übrigens ganz so, wie ihn die französischen Bauern oder auch die brabanter Fuhrleute tragen. Damals versuchten erst wenige tonangebende Elegants in Paris diese Mode als Morgennegligée der Herren aufzubringen, aber bis nach Deutschland war sie bis dahin noch nicht durchgedrungen, und mußte daher doppelt auffallend erscheinen. Domingo, der Negerknabe, stand auf das Schönste geputzt in einem feuerfarbnen Gewande, das mit seinem schwarzen Gesicht den seltsamsten Kontrast bildete, in ehrerbietigster Stellung an der Thüre, und hielt eine lange Kette von fein polirtem glänzenden Stahl, deren anderes Ende an Kokos Halsband befestigt war.
Dicht vor Sir Charles stand Babet und reichte mit gezierter Aengstlichkeit dem Affen einzelne in Papier gewickelte Bonbons, die dieser unter tausend Grimassen verzehrte, und jedesmal der Geberin, zum Dank dafür, das Papier an den Kopf warf, worüber diese, laut kichernd, sich halb tod lachen zu müssen versicherte. Sir Charles sah dem kindischen Spiel mit ungemeiner Leutseligkeit gelassen zu, doch nicht so Herr Kleeborn. Dieser stand mit dem Rücken an das Fenster gelehnt und blickte mit einem sehr finstern Gesicht, auf welchem Ärger und Höflichkeit sichtbar miteinander im Kampfe lagen, auf das seltsame Trio, während die neben ihm sitzende Agathe, ganz verschüchtert und kleinlaut, es kaum wagen mochte, die Augen von ihrer Arbeit aufzuschlagen. Man sah deutlich, sie hatte etwas auf dem Herzen, das sie verhinderte, Babets und Kokos lustigem Treiben die Theilnahme zu schenken, die sie in einer andern Stimmung gewiß nicht ermangelt hätte, dabei zu bezeigen.
»Verzeihung,« sprach Sir Charles, indem er die Tante und Vicktorinen hereintreten sah, und sich langsam von seinem Armstuhl erhob, »Verzeihung meine Damen, daß ich es wagte diese meine Reisegefährten hier einzuführen, aber Fräulein Babet äußerte gestern den lebhaften Wunsch, deren nähere Bekanntschaft zu machen.« »Ach und Koko ist so allerliebst!« rief Babet dazwischen, und versuchte es, den noch immer auf der Schulter seines Herrn sitzenden Affen zu streicheln. Doch dieser war eben nicht aufgelegt, Spaß zu verstehen, er wies ihr Nägel und Zähne, und stieß dabei ein so unangenehmes gellendes Geschrei aus, daß Babet sehr erschrocken zurückfuhr.
»Fi-donc, Koko,« lallte lächelnd Sir Charles mit großer Gelassenheit. »Domingo, bringe den unartigen Kleinen nach Hause.« Doch der Kleine hatte noch keine Lust hiezu, er biß um sich, zerraufte seinem Herrn die Haare und sprang zuletzt auf Kleeborn los, so schnell, daß Domingo kaum Zeit gewann, ihn von diesem abzuhalten, indem er die Kette kürzer faßte.
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