Die Stunde der Toechter by Michael Herzig
Autor:Michael Herzig [Herzig, Michael]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2012-05-04T16:00:00+00:00
32.
Die Tür stand halb offen. In Bernhard Stämpflis Geschäftsräumen war es still. Johanna di Napoli zog die Waffe und drückte ihren Arm ausgestreckt an den rechten Oberschenkel. So konnte sie die Pistole mit dem Körper abdecken. Mit der Linken schob sie die Tür ganz auf.
Im Korridor waren sämtliche Möbel umgestoÃen. Die Schubladen einer Kommode lagen herum. Daneben zerstreut befand sich ihr Inhalt. Die Bilder und Figuren, die Johanna bei ihrem ersten Besuch bewundert hatte, waren nicht mehr an den Wänden, sondern am Boden.
Sie horchte. Das letzte Mal war ihr eine alte Uhr aufgefallen, welche einen Heidenlärm machte. Nicht einmal die war zu hören.
Sorgfältig schritt sie rückwärts wieder hinaus. Im Treppenhaus holte sie mit der Linken ihr Handy hervor und tippte mit dem Daumen eine Nachricht.
Sebastian Schürch antwortete sofort. Kurz darauf hörte Johanna die Haustür aufgehen. So leise wie möglich eilte ihr Kollege die Stufen hinauf. Johanna deutete mit dem Kopf auf den Eingang. Schürch nickte und bezog auf der anderen Seite der Tür Position. Danach gingen sie gemeinsam in die Wohnung hinein.
Behutsam suchte sich Johanna einen Weg durch das Chaos. Ohne auf etwas zu treten, war das nicht einfach.
Schürch ging es ähnlich. Vorsichtig tastete er sich auf seiner Seite der Wand entlang durch den Flur hindurch.
Langsam kamen sie an das Ende des Gangs. Dort lag die Uhr. Es sah aus, als sei jemand darauf herumgetrampelt. Beide hielten inne und horchten.
Rechts war das Bad, links ein Aufenthaltsraum mit Sitzecke und eingebauter Küche. Dahinter lag das Büro. Es war groà und voller Schränke. Daran erinnerte sich Johanna noch, obschon sie beim letzten Mal nur rasch hineingeschaut hatte.
Sie bezog am Ende der Wand Position und blickte dann Schürch an.
Er nickte und hob die Pistole an.
Johanna atmete einmal tief ein und tat es ihm anschlieÃend gleich. Als Schürch zum ersten Schritt ansetzte, spähte Johanna vorsichtig um die Ecke in den Aufenthaltsraum. Gemeinsam fächerten sie den Raum auf. Den Finger am Abzug.
Das Durcheinander ging weiter. Die Küchenschränke waren ausgeräumt worden. Davor türmten sich Scherbenhaufen. Wer auch immer hier gewütet hatte, war voll und ganz bei der Sache gewesen. Sogar den Müllsack hatten sie herausgerissen und ausgeleert. Auf dem Couchtisch lagen eine zerschlagene Kaffeetasse und ein umgestürzter Aschenbecher.
Die Bürotür stand offen. Behutsam stieg Johanna über einen umgekippten Sessel. Schürch gab ihr Deckung. Sie ging in den Raum hinein. Das gleiche Bild. Kein Schrank, der nicht ausgeräumt war.
Nur Stämpfli war nicht hier. Auch sonst keine Menschenseele.
Johanna entspannte sich. Sie steckte die Waffe weg.
Schürch ging zurück in die Küche und schaute sich um. »Das sieht aus wie im Zimmer meiner Söhne! Nachdem sie aufgeräumt haben.«
»Du hast Söhne, die ihr Zimmer selbst aufräumen? Dann hast du früh angefangen!«
Er nickte. »In der Polizeischule bin ich zum ersten Mal Vater geworden. Der ältere ist dreizehn, der jüngere elf. Meine Frau ist älter als ich. Sie hatte es eilig und wollte nicht erst mit dreiÃig Kinder haben.« Er grinste. »Das hättest du nicht gedacht, oder?«
Sie schaute ihn fragend an.
»Dass ich jünger bin als meine Frau. Normalerweise ist es umgekehrt.«
Johanna zuckte mit den Schultern.
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