Die Standarte. Roman by Alexander Lernet-Holenia

Die Standarte. Roman by Alexander Lernet-Holenia

Autor:Alexander Lernet-Holenia [Lernet-Holenia, Alexander]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783105611937
Herausgeber: FISCHER Digital
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


VIII

Wir merkten es daran, daß in unserem Rücken das Poltern und Dröhnen der Bohlen auf einmal aufhörte; und wir selber, zugleich aber auch die Stäbe des Obersten und des Divisionärs, hielten gleichfalls an, und zwar, eigentümlicherweise, sofort nachdem die Regimenter angehalten hatten, als hätten auch wir längst geahnt, daß wir hier würden anhalten müssen. Darnach entstand eine völlige Stille, in der man nur mehr das Gurgeln des Wassers und das Pfeifen der Windstöße vernahm.

Wir wendeten uns in den Sätteln um, sahen die Reihen zu vieren reglos dastehen, und Bottenlauben sagte: »Na! Was ist denn da wieder los?«

Die Gesichter der vier Reiter in der ersten Reihe, eines Unteroffiziers und dreier Mannschaften, sowie das des nebenan haltenden Trompeters hatten einen sonderbaren Ausdruck, der Unteroffizier und der Trompeter sahen uns fast verlegen an, die drei Mannschaften aber vermieden es, uns anzusehen, blickten geradeaus und schienen entschlossen, auch weiterhin, komme was da wolle, stur und starr stehenzubleiben und von nichts Notiz zu nehmen. Diese ein wenig platten slawischen Bauerngesichter verrieten nur eines, das aber deutlich genug: sie wollten nicht mehr.

»Also?« schrie Bottenlauben. »Was ist los?«

Dieser Ruf wurde von ein paar Leuten im Reiterzug wiederholt. Hier und dort in der langen Kolonne wendete ein Offizier oder ein Unteroffizier sein Pferd heraus, schrie etwas, und ein Gemurmel von einigen Stimmen antwortete. »Vorwärts!« wurde gerufen, und »Weiter!«, aber es rührte sich nichts, die Regimenter blieben stehen wie angenagelt.

Nur von der andern Brücke herüber klang das Poltern und Fahren der Trains.

»Nun«, sagte Anschütz und ließ die Zügel auf den Hals seines Pferdes fallen, »da haben wir’s!«

»Was haben wir da?« rief Bottenlauben.

»Die Meuterei.«

Bottenlauben antwortete nicht sogleich. Aber nach einem Moment zog er langsam seinen großen, gebogenen Säbel, wendete sein Pferd und ritt die paar Schritte bis zur Spitze der Schwadron zurück. Auch die Stäbe des Obersten und des Divisionärs hatten gewendet, kamen mit Getrappel heran und blieben in unserem Rücken stehen.

»Was gibt’s da?« fragte der General.

Allein es antwortete niemand.

In Heisters Hand, der gleichfalls gewendet hatte und so geistesabwesend auf das ganze Bild starrte, als ginge es ihn gar nichts an, flatterte die Standarte.

Bottenlauben ritt ganz dicht vor einen der Leute in der ersten Reihe hin und sozusagen in die Reihe selbst hinein. Die Nüstern seines Pferdes berührten fast die Hüfte des Mannes.

»Vorwärts!« befahl er.

Aber der Mann rührte sich nicht. Er blickte gleichmäßig gradeaus, wenngleich die Nähe des Rittmeisters ihm unheimlich sein mochte und er sich ein wenig verfärbte.

»Vorwärts!« schrie Bottenlauben, und seine Stimme überschlug sich.

Doch rührte sich der Mann noch immer nicht, nur die andern warfen ihm rasche Seitenblicke zu.

Da richtete Bottenlauben sich in den Bügeln auf, holte aus, so weit er konnte, und schmetterte dem Manne die flache Klinge mit aller Kraft auf den Helm. Ein gellender Klang folgte, der Mann, unter der Gewalt des Hiebes, fuhr in sich zusammen, und zwei Drittel der Klinge splitterten in großem Bogen schwirrend und blitzend hinweg.

Einen Moment lang währte noch die Stille, dann begann aus den Reihen der Mannschaft ein Gemurmel, es steigerte sich rasch zum Geschrei, und im nächsten Moment



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