Die Stadt der vergessenen Träume by Peter Freund

Die Stadt der vergessenen Träume by Peter Freund

Autor:Peter Freund [Freund, Peter]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
ISBN: 978-3-95751-086-0
Herausgeber: hockebooks gmbh
veröffentlicht: 2015-10-15T16:00:00+00:00


12. Kapitel:

Alte Erinnerungen

Lange Zeit verschloss niemand in Seperanza seine Türen, wenn er aus dem Haus ging oder sich zum Schlafen niederlegte. Lediglich die öffentlichen Gebäude, Lagerhäuser und Geschäfte wurden während der Nacht verriegelt. Seit sich die Diebstähle jedoch häuften, waren immer mehr Einwohner auf ihre Sicherheit bedacht. Auch Mutter Gris war vor Kurzem Opfer eines Einbruchs geworden. Dabei war bei ihr wirklich nicht viel zu holen. Die paar Silbermünzen, die sie sich vom Mund abgespart hatte, schmerzten sie denn auch längst nicht so sehr wie der Verlust der persönlichen Erinnerungsstücke, welche die Eindringlinge hatten mitgehen lassen. Ein paar Bilder, wertlosen Schmuck und bedauerlicherweise auch das Tagebuch, das sie vor vielen Jahren geführt hatte. Sie hatte gern und regelmäßig darin geblättert, weil das die alten Zeiten wieder lebendig werden ließ. Aber damit war es nun vorbei. Seit dem unerfreulichen Vorfall hatte sie es sich zur Gewohnheit gemacht, ihr Haus abzuschließen, und so musste Saranya ans Küchenfenster klopfen, damit die alte Frau sie einließ. Als Saranya hinter ihr in die Küche trat, stieg ihr der würzige Geruch eines Kräutertees in die Nase. »Sei mir willkommen und setz dich zu mir.« Mutter Gris zeigte mit freundlichem Lächeln auf die altersschwache Bank, die am Küchentisch vor der Wand stand.

Das Mädchen nahm Platz. In den beengten Raum fiel nur durch zwei Fensterchen spärliches Licht ein. Eine Tranfunzel musste helfen, das schummerige Zimmer zu erhellen. Saranyas letzter Besuch lag schon eine ganze Weile zurück, aber alles sah noch genauso aus wie beim letzten Mal. Wände und Decke waren schwarz vom Ruß des Kochherds, in dem ein Holzfeuer für angenehme Wärme sorgte. Die wenigen Möbel – Küchenschrank, Anrichte und der Tisch mit Bank und Stühlen – deuteten darauf hin, dass Mutter Gris schon bessere Zeiten erlebt hatte.

»Soll ich dir auch einen Vierkräftetee aufsetzen?«, fragte die alte Frau, die über ihrem grauen Haar selbst im Haus ein schwarzes Tuch trug, und deutete auf den dampfenden Becher, der vor ihr auf dem blankgescheuerten Holztisch stand. »Ich trinke ihn jeden Morgen. Er tut mir gut und verleiht mir die nötige Kraft für die Mühsal des Tages.« Mutter Gris seufzte. »Eine Zeit lang habe ich auch noch einige Tropfen Morgenblättertau untergerührt«, fuhr sie fort, »aber wie du selbst sehen kannst, hat das nicht viel geholfen.« Ein verschmitztes Lächeln ging über ihr gütiges Altfrauengesicht, gegen dessen unzählige Falten wohl selbst Kübel voll des gepriesenen Wundermittels nichts ausgerichtet hätten.

Saranya lehnte dankend ab. Sie hatte Wichtigeres auf dem Herzen.

»Du hast mich lange nicht besucht«, sprach die alte Frau weiter. »Nicht dass ich mich beklagen wollte. Aber dass du mich heute aufsuchst, hat doch sicher einen besonderen Grund?«

»Nun … es verhält sich so … ich wollte …«, begann Saranya zögernd, gab sich dann aber einen Ruck. »Ich wollte Euch nach dem Sommer damals fragen, im Jahr 1111 nach Morpheus, als ich … äh … geboren wurde.«

Nur für einen Moment schien Mutter Gris überrascht. »Ach ja?«, antwortete sie dann scheinbar gleichgültig. »Und warum ausgerechnet mich?«

»Weil Ihr damals, während Traminas Krankheit, Raya zur Hand gegangen sein sollt und Euch deshalb bei uns im Haus aufgehalten haben müsstet.



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