Die Stadt am Ende des Weges by Marc A. Herren

Die Stadt am Ende des Weges by Marc A. Herren

Autor:Marc A. Herren [Herren, Marc A. ]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Stardust, Perry Rhodan, Science Fiction
Herausgeber: Pabel-Moewig Verlag GmbH
veröffentlicht: 2010-08-27T01:00:00+00:00


Zwischenspiel

Vor 1644 Jahren: Terrania,

4. Oktober 3406

»Mutter?«

»Ja, mein Schatz?«

»Wie kann es sein, dass aus Alices Tränen ein ganzer See wird?«

Das Licht der Stadt beleuchtete sein Gesicht in einem warmen Gelbton. Sie fand, dass er wie ein kleiner Engel in seinem Bett lag, die Arme über die Decke gelegt.

Felissia Saedelaere strich ihrem Sohn zärtlich über das dunkle Haar. Der Junge bedeutete ihr mehr als alles andere auf dieser Welt.

Ihr Mann Tresham war vor zwei Jahren aus ungeklärten Gründen plötzlich verschwunden. Obwohl er nur ein einfacher Frachtarbeiter gewesen war, hatte sich die Regierung persönlich eingeschaltet und dafür gesorgt, dass Felissia keine Existenzängste leiden musste.

Trotzdem sorgte sie sich um ihren Sohn, der ohne Vater aufwachsen musste.

»Weshalb wird aus Alices Tränen ein ganzer See?«, wiederholte Alaska.

Sie blickte in sein ernstes Gesicht.

»Es ist das Wunderland, mein Schatz«, sagte Felissia zärtlich. »Da kann alles geschehen.«

Sie streichelte seine rechte Schläfe. Alaskas Gesichtsausdruck blieb aber nachdenklich.

Felissia lächelte etwas gezwungen.

Alaskas Erinnerungen an seinen Vater verblassten zusehends. Umso verblüffter - geradezu erschrocken - war sie gewesen, als sie ihn vor ein paar Tagen in seinem Zimmer gefunden hatte. Still hatte er auf seinem Bett gesessen und eine der charakteristischen Denkerposen seines Vaters fast perfekt kopiert.

Dieses Bild hatte sie seither verfolgt.

Sie wollte nicht, dass ihr Sohn schon jetzt erwachsen wurde.

Also hatte sie ihm die Geschichte von Peter Pan vorgelesen, dem Jungen, der nie erwachsen werden wollte, fliegen konnte und andere Kinder inspirierte und verzauberte.

Danach hatte Felissia zu dem Klassiker »Alice im Wunderland« gegriffen. Sie hoffte, dass die uralte Geschichte Alaskas Fantasie beflügelte und er sie in den nächsten Tagen mit Fragen zu Grinsekatzen, verrückten Hutmachern und nie enden wollenden Teezeremonien löchern würde.

»Weißt du, was ich denke?«, fragte Alaska.

Seine Sprechweise war immer noch etwas holprig. Deswegen hatte Felissia ihren Sohn vor einem Monat zu einem Hirnforscher gebracht. Dieser hatte Alaska aber nur eine leicht überdurchschnittlich hohe Intelligenz attestiert und bemerkt, dass der Junge wahrscheinlich schlicht »zu viel dachte während des Sprechens«, wie er sich ausdrückte.

Felissia schloss die Augen. Sie presste sich je zwei Finger an die Schläfen. »Ommm«, machte sie geheimnisvoll. »Ich lese deine Gedanken ... «

»Ich meine es ernst, Mutter«, sagte Alaska.

Felissia nahm ihre Hände herunter. Plötzlich fühlte sie sich unbehaglich.

»Ich denke, dass Alice nicht wirklich im Wunderland war.« Alaska wählte seine Worte sorgsam. »Ich denke, dass sie nur ein einsames Kind war, das niemanden zum Spielen hatte. Verstehst du, Mutter? Alice flüchtete in eine Gedankenwelt, weil sie traurig und allein war. Deshalb schwimmt sie in einem See aus Tränen. Die Tiere sind die Spielkameraden, die sie nie hatte. Vielleicht auch ihre Puppen und Stofftiere.«

Alaska Saedelaere, der in etwas mehr als zwei Monaten sechs Jahre alt werden würde, klappte den Mund zu.

Felissia wusste nicht, was sie antworten sollte. Immer wieder verblüffte sie ihr Sohn und brachte sie in Erklärungsnotstand. Aber noch nie hatte sie sich dermaßen hilflos dabei gefühlt wie in diesem Moment.

Sie beugte sich vor und gab ihrem Sohn einen langen Kuss auf die Stirn.

»Das Reich der Fantasie ist ein wunderbares, weil darin alles möglich ist«, sagte sie endlich. »Jeder hat ein Recht auf ein eigenes Wunderland.



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