Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition) by Wacker Heiner

Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition) by Wacker Heiner

Autor:Wacker, Heiner [Wacker, Heiner]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783830980308
veröffentlicht: 2014-02-09T23:00:00+00:00


lix Die heilige Inquisition

Vorsichtig führt Kardinal Rolf Schultheiss das kantige Kristallglas an den Mund, um ein wenig an dem schweren Rotwein, einem 2006er Château Margaux 1er Cru Classé aus Kirchenbeständen, zu nippen. Seine Eminenz führt ein den Umständen entsprechendes, vergleichsweise gottesfürchtiges Leben mit einem ausgeglichenen Verhältnis von Tugenden und Untugenden, das heißt Völlerei ja, aber in Maßen, Unzucht ja, oft und gern, Macht ja, Missbrauch derselben, unbedingt, Eitelkeit, Überheblichkeit, Rücksichtslosigkeit, ja, ja, ja, aber eben alles zum Wohle seines Arbeitgebers, der einzigen und wahren Kirche dieser Welt und damit Gott, seinem obersten Boss, seinem Idol, seinem einzig wahren Freund.

Der Kardinal stellt das Glas zurück auf das verkitschte Beistelltischchen und lässt die Luft aus seinen Lungen entweichen. Das ist das Problem mit privilegierten Gesellschaften. Man kann einfach nicht nur einem Herrn dienen. Einfach unmöglich. Dafür ist das Beziehungsgeflecht von Macht und Einflussnahme zu komplex. Alle wollen alles und davon möglichst viel. Vergessen dabei, wem sie das zu verdanken haben, wer ihre Geschicke auf so meisterhafte Weise leitet, wer über sie wacht, und zwar vierundzwanzig Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Dieses unablässige Hauen und Stechen, Sticheln, Nörgeln, Heucheln und Hetzen. Ein Hunger, der immer größer wird, der sich nicht lindern lässt. Nach materiellen Gütern, aber auch nach der Legitimität der eigenen Existenz und Handlungsweisen. Steigflug der Eitelkeiten. Schwer zu kontrollieren. Und jetzt dieser neue Wahnsinn. Essen vom Baum der Erkenntnis, sich gleichmachen wollen mit dem Schöpfer. Ewige Jugend. Da hört der Spaß aber nun wirklich auf. Zeit, den Zorn des Herrn herabzuziehen und die überhebliche Brut hinaus zu schwemmen aus dem Garten Eden, hinab zu spülen in den Schlund der Hölle und in großen Kesseln bei kleiner Flamme gar zu kochen. Der Kardinal tröstet sich mit einem weiteren Schluck des köstlichen Weins. Wenn alles doch nur so einfach wäre. Die ganze Bande einfach exkommunizieren, die Vermögen einziehen, ein paar Exempel statuieren. Vor seinem geistigen Auge brennen schon die Scheiterhaufen auf dem Domplatz, wo eine sensationslüsterne Meute kritikarmer Extremgläubiger heulend das Ende einiger uneinsichtiger Genforscher begleitet. Ein Fest für Augen und Ohren. Katholisches Barbecue. Er würde persönlich die Fackel an die trockenen Holzstapel halten, einen letzten Blick auf die qualvoll aufgerissenen Münder der Ketzer werfen, bevor die emporschlagenden Flammen ihnen den letzten Atem aus den Lungen saugen. Er kann es förmlich riechen, das brennende harzige Holz, das brutzelnde Fleisch, zischendes Körperfett, das sich mit dem Öl der Brandbeschleuniger mischt. Was für eine schöne Vorstellung. Aber leider weit von der Realität entfernt. Zukunftsmusik. Noch. Immerhin, einiges hat sich getan. Das säkulare Recht mit seinen zahllosen Raffinessen und Verdrehungen hat sich gewandelt, die Kirche kann wieder etwas fester zupacken, jetzt, wo die heilige Inquisition als neue alte Querschnittsabteilung reaktiviert wurde. Die heilige Inquisition, was für ein herrlicher Haufen. Und er ist der Chef. Rolf Schultheiss, Großinquisitor von Münster. Ein Mann, der es versteht, die Knochen krachen zu lassen, das Feuer zu schüren. Der immer ein offenes Ohr hat für die kleinen Geständnisse seiner Klienten während der hochnotpeinlichen Befragung durch seine speziell geschulten Mitarbeiter. Eine Arbeit, die dankbar ist und Freunde schenkt.



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