Die Seele der Wüste by Jane Johnson

Die Seele der Wüste by Jane Johnson

Autor:Jane Johnson
Die sprache: de
Format: mobi, epub
Herausgeber: PeP eBooks
veröffentlicht: 2010-10-07T22:00:00+00:00


ZWANZIG

Niemand fand es seltsam, als wir um drei Uhr morgens in Habibas Haus auftauchten und Lallawa abholten, um sie in die Wüste zu fahren. Die Krähen lächelten und sagten, es sei klug, so früh aufzubrechen. Die alte Frau war außer sich vor Freude, als sie davon erfuhr. Sie nahm Taïbs Hand und küsste sie, während sie vor sich hin murmelte. Immer wieder fiel das Wort baraka.

»Das heißt Segen«, erklärte mir Habiba. Unser Krach schien vergessen. Sie war offensichtlich froh darüber, dass wir Lallawa in die Wüste brachten, doch dann schoss mir ein liebloser Gedanke durch den Kopf. Vielleicht war sie erleichtert, dass Taïb und ich nicht allein wären, weil die alte Frau so etwas Ähnliches wie eine Anstandsdame wäre, ein Geist auf unserem Fest. Vielleicht war sie aber auch nur froh, eine Weile von der anstrengenden Pflege entbunden zu sein.

Die Krähen nahmen Taïb mit, um Frühstück und Reiseproviant vorzubereiten, und als ich ihnen folgen wollte, fasste mich Habiba am Arm. »Kommen Sie und helfen Sie mir mit Lallawa.«

Wir brauchten eine Ewigkeit, um die alte Frau anzukleiden, und das nicht nur wegen meiner Unerfahrenheit. Lallawa bestand darauf, die Reise in die Wüste in ihren vornehmsten Kleidern anzutreten, und diese Entschlossenheit verzögerte alles. Ich dachte, sie würde sich für die universelle Tracht der Krähen entscheiden, doch weit gefehlt. Habiba wurde beauftragt, eine lange Liste von Dingen herbeizuschaffen, wobei die Alte sie gebieterisch am Arm gepackt hielt und alles an den Fingern abzählte. Die Aussicht, ihre geliebte Wüste wiederzusehen, hatte ungeahnte Kräfte freigesetzt: eine geradezu magische Energie.

Als ich mit ihr allein war, wusste ich nicht, was ich sagen sollte, da wir kaum ein Wort in einer gemeinsamen Sprache hatten. Stattdessen grinste ich albern vor mich hin, so sehr brachte sie mich aus der Fassung. Plötzlich klopfte sie mir angeregt auf die Hand, redete auf mich ein, fasste sich an den Hals und formte mit der Hand ein Rechteck. Das Amulett. Ich kramte es aus meiner Handtasche und legte es ihr in die Hand, und sie hielt es sich vor die Augen und drehte es immer wieder herum, als unterzöge sie es einer gründlichen Prüfung. Was sieht sie bloß?, fragte ich mich. Konnte sie die Form des Amuletts erkennen oder die eingravierten Zeichen? Oder betastete sie bloß die Verzierungen aus Glas und das deutlich hervorstehende Mittelteil? Es schien keine Rolle zu spielen, denn das Lächeln, das sie mir zuwarf, spiegelte reinstes Glück, und als sie mir das Amulett zurückgab, legte sie dermaßen zielsicher und mit solch unverhohlener Zuneigung ihre Hand auf meine Wange, dass mir der Atem stockte.

Nach einer Weile kam Habiba mit einem Haufen Stoff und einer Tasche mit anderen Gegenständen zurück, und Lallawa überließ sich unseren Händen wie ein artiges Kind. Wir zogen ihr das Nachthemd aus, und Habiba griff nach einem dicken Bündel aus dunkelblauem Stoff, der leicht metallisch glänzte. »Ein tamelhaft«, sagte sie, faltete den Stoff und wickelte ihn um die Frau, während ich sie festhielt. »Sehr traditionell, aber heute aus der Mode geraten.« Sie steckte den Stoff am Ende mit zwei großen silbernen Spangen fest, glättete die Falten und trat einen Schritt zurück.



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