Die Schwestern by Da Costa Portia

Die Schwestern by Da Costa Portia

Autor:Da Costa, Portia [Da Costa, Portia]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)
Herausgeber: Rowohlt
veröffentlicht: 2012-09-10T17:02:02+00:00


8 Die Träume des Samurai

Zum ersten Mal beneidete Deana ihre Schwester aus vollem Herzen, und dieses Gefühl behagte ihr gar nicht.

Sie schob das Laken von ihrem nackten, verschwitzten Körper, verwarf den Gedanken an etwas Schlaf, schob die Beine über die Bettkante und stand auf. Zwar wusste sie nicht, ob sich durch das Aufstehen etwas ändern würde, aber sie war immer schon lieber in Aktion getreten, als untätig dazusitzen. Deana griff nach ihrem Morgenmantel aus dünner Baumwolle, schlüpfte hinein und trottete in die Küche.

Deana liebte das kleine Apartment, und sie hatte viel Zeit und Geld in die Ausstattung investiert, doch jetzt kam es ihr langweilig vor. Kein Vergleich zu dem Ort, an dem sich Delia gerade aufhielt. Und mit wem sie dort war … Deana nahm einen Schluck Mineralwasser und schaltete das Licht aus. Im Dunklen ließ es sich leichter trüben Gedanken nachhängen.

Und sich allerhand vorstellen, obwohl das jetzt vielleicht nicht gerade der geeignete Augenblick dafür war. Heute Nacht sollte sie ihrer Phantasien lieber enge Zügel anlegen und ihnen widerstehen, denn sie konnten ihr unter Umständen höllische Schmerzen zufügen.

Als sie die Augen schloss, war es jedoch schon zu spät, ihre Visionen deutlich da …

Du bist verrückt, schalt sie sich und liebkoste ihre Oberschenkel durch den Stoff, während sie an Jake dachte. Der coole, dunkle Jake und ihre Schwester Delia. Sie vögelten wie die Tiere in einem riesigen Bett und schrien vor Lust …

Na prima, Deana, man könnte dich wirklich für eine Masochistin halten!

Es war kaum zu glauben, wie heftig sie auf diesen Gedanken reagierte. Delia hatte in dieser Lage viel mehr Vernunft an den Tag gelegt. An ihrem «freien Abend» hatte sie die Gesellschaft eines anderen Mannes gesucht.

Für einen kurzen Moment erwog Deana, dies ebenfalls zu tun. Sie könnte nach oben schleichen und sich als Delia ausgeben. Es könnte funktionieren, doch würde sie ziemlich auf Draht sein müssen, denn Peter könnte man nicht so leicht täuschen wie Jake. Er war schon jahrelang mit Delia und ihr befreundet, und ihm würden die Unterschiede vielleicht auffallen. Diese waren zwar fast nicht zu erkennen, doch sie existierten.

Ihr Plan hatte allerdings einen großen Makel, und insgeheim war Deana froh darüber. Peter wusste, dass Delia heute Abend ausgegangen war, weil sie es ihm selbst erzählt hatte. Verdammt!

Unzufrieden erwog sie ihre Alternativen. Vielleicht sollte sie sich einen starken Drink einschenken und die ganze Nacht fernsehen? Oder vielleicht zeichnen oder ein gutes Buch lesen …

Moment mal!

Bei dem Wort Buch kam ihr ein anderer Gedanke. Der sich erheblich von den anderen unterschied. Vor ihrem geistigen Auge erschien die gedämpfte und dekadente Atmosphäre des Siebzehn. Und dann eine gewisse, wunderschöne Autorin mit einem langen, feuerroten Zopf und einem außergewöhnlichen Modegeschmack.

Vida Mistry.

Sie schrieb Bücher.

Deana ignorierte ihren bauschenden Morgenmantel und den fehlenden Gürtel und lief ins Wohnzimmer. Auf dem Weg dorthin schlug sie sich einen Zeh an und stieß einen Fluch aus, dann tat sie den Schmerz mit einem Schulterzucken ab. Das gehörte wohl zu einem Abend wie diesem dazu.

Neben dem Fenster stand ein mit Büchern vollgestopftes Regal, das jeden Augenblick umzustürzen drohte.



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