Die Schuld vergangener Tage by Temple Peter

Die Schuld vergangener Tage by Temple Peter

Autor:Temple, Peter
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Penguin
veröffentlicht: 2016-08-09T07:40:44+00:00


Stan Harrop und sein Sohn David befanden sich in der nordwestlichen Ecke der Pflanzschule auf Stans Anwesen und sprachen mit dem Fahrer eines mit Steinen beladenen Muldenkippers. Ich parkte am Tor und ging zwischen den von Norden nach Süden ausgerichteten Beeten zu ihnen ­hinüber. David begrüßte mich. Er war etwa fünfundzwanzig, hager, hatte sandgelbe Haare und Stans große Hände. Stan hatte ­gewartet, bis er fast fünfzig war, ehe er mit Davids Mutter den Versuch machte, indirekt Unsterblichkeit zu erlangen.

»Eine Mauer, Mac«, sagte Stan. »Eine Bruchsteinmauer. Zwanzig Meter Mauer. Kennst du dich mit Bruchsteinmauern aus?«

»Ist schon ’ne Weile her«, sagte ich. Als ich sechzehn war, hatten mein Vater und ich auf einem Grundstück namens ­Arcadia bei Wagga zweihundert Meter Bruchsteinmauer gebaut. Vor meinem inneren Auge sah ich an einem brütend heißen Tag einen Mann, einen Jungen und einen Stapel Steine, und ich hörte meinen Vater sagen: Der Stein, den man braucht, liegt in dem Scheißstapel ganz unten. So arbeitet die Natur. In Opposition zum Menschen.

»Wo wollen Sie sie nun hinhaben?«, fragte der Fahrer. Er war ein dicker, traurig aussehender Mann in einem Overall und mit einer Basecap, auf der vorne »Toyota« stand.

Stan kratzte sich am Kopf. »Tja, laden Sie sie doch einfach hier ab.«

»Willst du meinen Rat?«, sagte ich.

»Schnell«, sagte Stan.

»In welche Richtung verläuft die Mauer?«

»Von Norden nach Süden«, sagte Stan und zeigte mit dem Finger den Verlauf an. »In einer Linie mit diesem Pfosten.«

»Laden Sie die Steine langsam entlang dieser Linie ab«, sagte ich zu dem Fahrer. »Man will keine Steinhaufen. Geht das?«

»Hart an der Grenze des technisch Machbaren«, sagte der Mann. Wir gingen aus dem Weg, und er legte los.

»Den richtigen Stein zu finden«, sagte ich. »Da liegt das Problem. Ist viel leichter, wenn man sie verteilt.«

»Was ist mit dem Fundament?«, sagte Stan.

»Wie hoch soll die Mauer werden?«

»Nicht hoch«, sagte David. »Anderthalb Meter.«

»Hoch genug«, sagte ich. »Da muss der Graben etwa einen halben Meter tief und einen und ein Viertel Meter breit sein. Dann sollte sich die Mauer bis nach oben auf ungefähr ­fünfzig Zentimeter verjüngen. Gib ein wenig Beton in die unteren Schichten. Puristen lehnen das ab.«

»Puristen am Arsch«, sagte Stan. »Hol die Geräte, Jungchen.«

Ich holte Handschuhe aus dem Land Rover, zog Stiefel an. In einer halben Stunde hob David das Fundament aus. Wir schaufelten die Erde weg, Schwerarbeit, dann zogen wir die Schnüre. Ich zeigte Stan, wie man die unterste Lage Steine legte, danach schleppten David und ich Steine und Stan legte. Es war eine anstrengende Arbeit, schwere Gegenstände zu bewegen, die nicht für menschliche Hände geschaffen waren.

»Ich wollte die Frauen überraschen«, sagte Stan. »Sind nach Melbourne gefahren. Zum Shoppen. Was für eine Scheißbeschäftigung ist das denn?«

»Ich könnte lernen, wie man shoppen geht«, sagte ich. »Stell ich mir nicht so schwierig vor.«

Ich war froh, dort zu sein, froh, irgendwo zu sein, froh, etwas tun zu können, sodass ich nicht über Ned nachdenken musste. Ich wollte auf keinen Fall über Ned nachdenken.

Wir hörten auf, als kaum noch Licht da war und die Kälte sich ins Gesicht krallte.

»Ich sehe in naher Zukunft einen Drink auf dich zukommen«, sagte Stan und klopfte mir auf die Schulter.



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