Die Schriften des Waldschulmeisters by Rosegger Peter
Autor:Rosegger, Peter
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: (Privatkopie)
veröffentlicht: 2010-02-03T05:00:00+00:00
Im Mai 1817.
In diesem Winter habe ich eine schwere Krankheit zu bestehen gehabt. Die Ursache derselben ist das Unglück des Markus Jäger, den ein Wildschütze angeschossen hat. Der Jäger ist drüben in einer Hütte der Lautergräben gelegen. Ich gehe mehrmals zu ihm hinüber, weil der Brand in die Wunde zu kommen droht, und weil sonst niemand ist, der den Kranken pflegen will und kann. Anstatt daß die Leute hier eine Wunde mit lauem Wasser und gezupften Linnen rein halten täten, kleben sie allerlei Schmieren und Salben hinein. Das muß schon eine kräftige Natur sein, die sich trotz solcher Hemmnisse aufrafft. Ich habe recht zu tun gehabt, daß mir der Jäger nicht unterlegen ist.
Als ich das letztemal bei ihm bin, ist ein stürmischer Märztag. Auf dem Rückwege sind die Pfade schauderhaft verschneit und verweht. Stellenweise ist mir der Schnee bis zur Brust emporgegangen. Viele Stunden habe ich mich so fortgekämpft, aber es bricht die Nacht herein und ich habe das Winkeltal noch lange nicht erreicht. Eine unsägliche Ermüdung kommt über mich, der ich zwar lange widerstehe, die endlich aber nicht mehr zu überwinden ist. Da habe ich schon gar nichts anders mehr gemeint, als daß ich so mitten im Schnee würde umkommen müssen, und daß sie mich im Frühjahr finden und an der neuen Kirche im Winkel vorüber nach Holdenschlag tragen würden. – Dahier im Waldesfriedhof möcht ich liegen. Aber noch lieber darauf stehen.
Erst nach Wochen habe ich es erfahren, daß ich nicht erfroren bin, daß mir an demselbigen Abende zwei Holzhauer auf Schneeleitern entgegengekommen sind, mich bewußtlos gefunden und ins Winkelhüterhaus getragen haben. Als ich nachher viele Tage lang in der schweren Krankheit gelegen, sollen sie sogar einmal den Bader von Holdenschlag zu mir gerufen haben. Und der Bote, der den Arzt geholt, hätte, wie er mir seither selbst erzählt, den Auftrag gehabt, gleich auch mit dem Totengräber zu reden. Der Totengräber hätte gesagt: »Wenn mir der Mann nur das nicht antäte, daß er jetzt stürbe; 's ist ja kein Loch zu machen in dieser steinhart gefrornen Erden!«
Es freut mich recht, daß ich dem guten Mann die Mühe hab' ersparen mögen.
Als die Gefahr der Krankheit vorbei, hat mich erst ein recht hartnäckiges Augenleiden verfolgt, das noch nicht ganz gehoben ist. Ich muß noch eine lange Zeit in der Stube verbleiben, wohl so lange, bis draußen das Tauen eingetreten und das Wildwasser vorbei. Mir ist gar nicht einsam. Ich schnitze in Holz, ich will mir eine Zither zusammenleimen oder so etwas, daß ich mich in der Tonkunst übe, bis in der Kirche die Orgel fertig sein wird.
Es sind oft Leute gekommen, die sich neben mir auf die Bank gesetzt und gefragt haben, ob ich schon recht gesund sei. Die Ruß-Annamirl, die jetzund mit den Ihren in das Holzmeisterhaus der Lautergräben gezogen ist und nach der neuen Ordnung Anna Maria Ruß heißt, hat mir in der vorigen Woche drei große Krapfen herübergeschickt. Dieselben sind von denen, die zur Festfreude gebacken worden, da ein kleinwinziger Ruß angekommen ist. Sie haben den Kleinen mit Krapfen getauft.
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