Die Saga von Kane 6 - Die Rache des Verfluchten by Karl Edward Wagner
Autor:Karl Edward Wagner [Wagner, Karl Edward]
Die sprache: deu
Format: epub
IV
Ãber die Schwelle zum Traumland
Die Dämmerung fiel auf sie, als sie sich der Alten Stadt näherten.
Neben Opyros ritt Ceteol. Ein hoher Kragen verbarg den verletzten Hals. Warum sie mitgekommen war, konnte Opyros bei bestem Willen nicht erklären. Sie war mit groben Flüchen über ihn hergefallen, als er in sein Haus zurückkehrte, hatte sich an ihn gekrallt und wild gekämpft, bis er sie in seiner Trunkenheit fest umklammert hielt und ihr die Geschichte dieser Nacht berichtete. Danach hatte er sie nicht mehr davon abbringen können, ihn zur Alten Stadt hinaus zu begleiten. Er glaubte â besser hoffte â daà ihr vorgeblicher Wunsch, ihn an seinen widernatürlichen Schwächen zu Grunde gehen zu sehen, nicht das wahre Motiv war.
Kane war in düsterer Stimmung. Er hatte seine Männer bis zum Morgendämmern auf die Suche nach Eberhos gejagt, doch man hatte keine Spur des Alchemisten gefunden. Zusätzlich zu Levardos, Webbre und Haigan hatte Kane noch seinen neuen Mann, Hef und einen hakennasigen Bengel namens Boulus mitgebracht. Ob Eberhos noch einen weiteren Versuch unternehmen würde, die Figur wiederzubekommen â es schien wahrscheinlich, daà er die Stadt verlassen hatte â vermochte Kane nicht zu sagen. Er wünschte sich aber durchaus, der Alchemist möge so leichtsinnig sein, damit er ihm den nächtlichen Hinterhalt heimzahlen konnte.
Opyros war angeregt durch sein bevorstehendes Abenteuer und befand sich in überschwänglicher Laune. SchlieÃlich gelang es ihm, Kane aus seiner Wut herauszureiÃen. Kane hatte sich alle weiteren Argumente versagt, den Dichter von seinem Plan abzubringen, und als der andere jetzt von seiner Hoffnung auf diese Anrufung sprach, von seiner Neugier, die unbekannten Wunder des Traumlandes zu erforschen, teilte er plötzlich Opyros Enthusiasmus. Die Tore zum Traumland öffnen⦠Auch Kane verspürte die Faszination eines solchen Abenteuers. Sicher, es gab Risiken, aber welches wahre Abenteuer war jemals ohne Risiko gewesen? Wie konnte es eigentlich per definitionem Abenteuer ohne Risiko geben? Sicherheit bedeutete Langeweile, Stagnation, den Tod. Kane lauschte und nickte und fügte seine eigenen Gedanken hinzu, so daà er zu dem Zeitpunkt, als sie die Unkraut überwucherten StraÃen der Alten Stadt betraten, gerade nachdenklich die Onyxstatue betrachtete.
»Da ist wieder der verdammte Schatten«, bemerkte Ceteol plötzlich.
»Welcher Schatten?« fragte Opyros.
»Er ist wieder Weg«, antwortete sie stirnrunzelnd. Das Mädchen machte eine Handbewegung.
»Siehst du unsere Schatten da in einer Reihe miteinander verbunden?« Die untergehende Sonne warf genügend Licht auf die Reiter, um spindeldürre, miÃgestaltete Schatten gegen die Bäume zu werfen, die die selten benutzte StraÃe säumten.
»Ich habe ihn schon ein paar Mal gesehen«, für Ceteol fort, »nur so aus dem Augenwinkel. Wenn wir auf einen sonnenbeschienenen Fleck kommen, sehe ich alle unsere Schatten neben uns. Aber ein paar Mal dachte ich, wie komisch, hinter mir reiten nur zwei Männer, aber mir folgen drei Schatten.«
»Was für ein Schatten ist es?« wollte Kane wissen. »Wie ein weiteres Pferd mit Reiter?«
»Nein, anders.« Sie legte die Handballen gegeneinander und bewegte die Finger wie Spinnenbeine. »Es war irgendwie⦠kriechend.«
Opyros lachte und sah ihr in die Augen. »Deine Augen sind immer noch von der Droge getrübt, Liebling. Es wird bald besser werden.«
Ceteol warf ihr braunes Haar zurück und sah verschlossen aus.
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