Die Saat des Bösen by Costantini Roberto

Die Saat des Bösen by Costantini Roberto

Autor:Costantini, Roberto [Costantini, Roberto]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Krimi/Thriller
ISBN: 9783641121648
Google: Xs2NAwAAQBAJ
Herausgeber: C. Bertelsmann Verlag
veröffentlicht: 2014-08-31T22:00:00+00:00


Samstag, 15. August 1970

Papa und Alberto holten uns mit einem Land Rover ab. Mohammed saß am Steuer.

Das Wiedersehen mit Alberto war sehr herzlich. Beim letzten Mal waren wir nicht im Guten auseinandergegangen, und das war allein meine Schuld gewesen. Ja, auf Alberto konnte ich mich verlassen.

Auf meinen Vater nicht. Er hatte sich verändert. Er war älter geworden, sah aber immer noch gut aus. Das Grau an den Schläfen und im Schnauzer und der blasse Teint wirkten durchaus elegant und passten vielleicht sogar besser zu seiner neuen Rolle in Italien.

»Herzlichen Glückwunsch, Michele.«

Er machte keine Anstalten, mich zu umarmen oder zu küssen. Wenigstens das ersparte er mir.

»Muss dieser Ausflug nach Misurata wirklich sein, Papa?«

»Es wird wohl für einige Jahre die letzte Gelegenheit sein, Mike. Und das Abschlachten der Thunfische hat dir doch schon als Kind so gefallen.«

»Ich bin älter geworden. Fischblut beeindruckt mich nicht mehr so sehr. Außerdem ist August, das ist sehr spät.«

»Die Fanganlage ist voll, Mike. Wir werden unseren Spaß haben. So nehmen wir wenigstens eine schöne Erinnerung an dieses Land mit.«

Sicher, Papa. Was hat es schon zu bedeuten, dass in diesem Land Mama gestorben ist …

Während wir durch die stille Nacht fuhren, schlief ich. Als ich zwei Stunden später im Morgengrauen erwachte, erreichten wir den Hafen von Misurata, wo die Fischerboote einliefen. Die Stadt mit ihren weißen Häusern lag noch in tiefem Schlaf.

Alles war bereit. Acht Ruderboote von zwanzig Metern Länge für jeweils um die zwanzig Passagiere, dazu die musciara des Rais, der das Unternehmen leitete. Die Prozession konnte beginnen.

Ich saß in einem Boot mit meinem Vater, Mohammed, Alberto, Ahmed, Nico und zwanzig libyschen Fischern. Auf der gemächlichen zweistündigen Fahrt schlief ich wieder ein, zum Teil wegen der schlaflosen Nacht, zum Teil aber auch, weil ich nervös war und nicht reden wollte. Mit niemandem.

Um halb neun erreichten wir die Thunfischfanganlage. Die Boote bildeten einen Kreis rings um die Todeskammer herum.

»Möchtest du auf der musciara des Rais mitfahren?«, fragte mein Vater.

Um diese Ehre hatte ich als Kind so oft gebettelt, aber er hatte sie mir nie zuteilwerden lassen.

Zu gefährlich, Mike. Zu viel Blut.

Jetzt war ich in den Augen meines Vaters bereit. Ich hatte einen Löwen erlegt.

Ich habe schon ganz andere Dinge getan, Papa. Und heute werde ich noch viel mehr tun.

Der Rais war der älteste Fischer von Misurata, eine imposante Erscheinung um die sechzig mit einem langen Bart. Er ließ mich anstandslos in sein Boot steigen. Vielleicht weil ich der Sohn des Mannes war, der über alles bestimmte.

Eine so volle Todeskammer hatte ich noch nie gesehen. Papa hatte wieder einmal recht gehabt. Mindestens dreihundert Thunfische zwischen zweihundert und dreihundert Kilo tummelten sich darin und klatschten gegen die Netze, blind vor Angst.

Wir fuhren mit dem Boot des Rais in die Mitte, während die anderen Boote nebeneinander an den vier etwa dreißig Meter langen Seiten des Netzes in Position gingen. Alles war bereit.

Auf ein Zeichen des Rais erklangen die Gesänge und Bittrufe, dann begannen die Männer, die Netze aus dem Wasser zu ziehen. Das war der Moment, der mich schon als Kind am meisten erregt hatte: wenn die Thunfische merkten, was ihnen blühte.



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